Die Südamerikareise von Bundesaussenminister Guido Westerwelle (FDP) schlägt in Deutschland hohe Wellen, in Brasilien sind die Reaktionen jedoch eher verhalten. Kaum eine grössere Tageszeitung hat über seinen Besuch im grössten Land des Subkontinents berichtet, selbst das Treffen mit Amtskollege Celso Amorim wurde zu einer Randnotiz in den Qualitätszeitungen des Landes. Lediglich die staatliche Nachrichtenagentur Agência Brasil widmete dem dreitägigen Besuch einige kurze eigene Artikel, andere Medien griffen ganz auf europäische Agenturberichte zurück.
Wie wichtig der Besuch des deutschen Spitzenpolitikers und Parteivorsitzenden in Brasilien gewertet wurde, sah man auch am Besuchsprogramm. Während Westerwelle in Chile vom designierten Präsidenten Sebastián Piñera, in Argentinien von Amtsinhaberin Cristina Kirchner und in Uruguay vom frisch ernannten Präsidenten Jose „Pepe“ Mujica empfangen wurde, zeigte der brasilianische Staatspräsident Luiz Inácio Lula da Silva wenig Interesse an einem Gespräch.
So gestattete die Tagesordnung nur ein Treffen mit Celso Amorim und dem Minister für Industrie und Entwicklung, Miguel Jorge in Brasília sowie Gespräche vor Wirtschaftsvertretern in São Paulo und Rio de Janeiro. Auf der letzten Station seines dreitägigen Brasilienbesuchs traf er zwar noch mit dem Gouverneur des Bundesstaates Rio de Janeiro, Sérgio Cabral und den Organisationskomitees für die Fussball-Weltmeisterschaft 2014 und die Olympiade 2016 zusammen, aber auch davon wurde in Brasilien faktisch nichts berichtet.
Durchblättert man daher derzeit die Online-Medien in Brasilien, so reduziert sich die politische Bedeutung des deutschen Besuchs auf eine gemeinsame Erklärung zum israelischen Siedlungsbau in Palästina sowie auf den Wunsch zur Intensivierung des Handels zwischen den beiden Bündnissen Mercosul und Europäische Union. In einigen wenigen Nebensätzen kommt jedoch recht gut zum Ausdruck, dass Deutschland derzeit in Brasilien massiv um Aufträge buhlt, unter anderem für den geplanten Hochgeschwindigkeitszug zwischen den Metropolen São Paulo und Rio de Janeiro. Hier hofft das Transrapid-Konsortium auf den Millardenauftrag. Aber selbst in diesem Themenbereich wurde am Ende dem Chef von Siemens Brasilien, Adilson Antonio Primo, mehr Platz in den Tagezeitungen gewidmet als dem in seiner Heimat stark unter Druck geratenen deutschen Spitzenpolitiker.
Foto: Valter Campanato/ABr