Starke Regenfälle und ständig steigende Wasserpegel der Flüsse haben im Norden und Nordosten Brasiliens zu massiven Überschwemmungen geführt. Vielerorts wurden ganze Landstriche verwüstet, Hundertausende sind vor den Wassermassen auf der Flucht. Am stärksten betroffen ist derzeit Trizidela do Vale im Bundesstaat Maranhão. Die rund 180.000 Einwohner zählende Stadt ist fast vollständig in den Fluten versunken. Staatspräsident Luiz Inácio Lula da Silva will nun schnell finanzielle Hilfen für die überschwemmten Regionen bereitstellen.
Rund 1 Millionen Menschen sind direkt durch die Jahrhundertflut im Norden und Nordosten Brasiliens betroffen, über 200.000 Menschen sind inzwischen obdachlos. Der Sachschaden wird derzeit auf mindestens 1 Millarde Reais beziffert, umgerechnet etwa 350 Millionen Euro. Doch bis die geplante staatliche Hilfe greifen kann, muss zunächst das Wasser zurückgehen. Und dies kann noch Wochen dauern, denn die Pegelstände steigen weiter. Der Fluss Mearim liegt derzeit 6 Meter über seinem normalen Pegelstand, Dämme drohen zu brechen, weitere Verwüstungen wären die Folge.
Auch im Bezirk Altamira im Bundesstaat Pará blicken die Menschen mit immer grösserer Sorge auf die steigenden Pegelstände des dortigen Rio Xingu. In der abgelegenen Region hat es Ende vergangener Woche in 3 Stunden soviel geregnet wie normalerweise in 2 Monaten. Laut der dortigen Stadtverwaltung sind 6.500 Menschen obdachlos, 5.000 Häuser müssen nach Rückgang der Fluten abgerissen werden.
320 Gemeinden in 11 Bundesstaaten leiden mittlerweile unter der Naturkatastrophe, die jedoch nicht unerwartet kam. Bereits vor Wochen warnten die Experten vor einer Jahrhunderflut im Mai, das brasilien Magazin berichtete ebenfalls Mitte April erstmals in der Serie „Verursacht weltweiter Klimawandel Jahrhundertflut am Amazonas? (mehr…)“ über die drohende Gefahr. 96 brasilianische Munizipe haben zwischenzeitlich den Notstand ausgerufen, um schnell und unbürokratisch staatliche finanzielle Hilfen in Anspruch nehmen zu können. Es fehlt an Trinkwasser, Nahrung, Decken, Matratzen und Kleidung. Der Zivilschutz kommt mit Rettungsmassnahmen und der Versorgung der betroffenen Bevölkerung kaum nach.
44 Menschen sind mittlerweile in den unberechenbaren Fluten ums Leben gekommen, Zehntausende haben Haus und Hof verloren. Aller Voraussicht ist das Wasser im Juni wieder verschwunden, doch dann stehen die Menschen vor weiteren Problemen. Sämtliche Ernten sind vernichtet, die Infrastruktur nachhaltig zerstört, Häuser unbewohnbar, Seuchengefahr droht. Grosse Landstriche werden für Monate unpassierbar sein, ein gigantischer finanzieller Aufwand ist notwendig. Aber ob dies die brasilianische Regierung alleine stemmen kann, ist fraglich. Und private Hilfen werden diesesmal wohl geringer ausfallen, haben die Menschen in Brasilien doch bereits Ende vergangenen Jahres massiv für die gigantischen Zerstörungen durch Überschwemmungen und Erdrutsche im Süden gespendet.
An anderen Stellen sieht die Situation bislang weniger dramatisch aus: Rund um die Amazonasmetropole Manaus fiel das Hochwasser bislang zwar ebenfalls heftig aus, dort leben die Menschen jedoch seit Jahrzehnten mit den saisonalen Überschwemmungen durch den Rio Negro und den Rio Solimões. Von Panik ist dort recht wenig zu spüren, wie unser Amazonas-Experte Robert Schuster in einem Exklusiv-Interview (mehr…) bestätigte.
Fotos: Antônio Cruz/ABr