Mehrere tausend Menschen leben auf der linken Seite des Rio Xingu im Grenzgebiet des brasilianischen Bundesstaates Pará im Regenwald Amazoniens. Bereits vor mehreren Jahren wurde den dort hauptsächlich als Kleinbauern ansässigen Menschen seitens der Regierung versprochen, sie im Programm „Licht für Alle“ aufzunehmen und nach Jahrzehnten sprichwörtlicher Dunkelheit endlich an das öffentliche Elektrizitätsnetz anzuschliessen. Doch dieser Traum hat sich bislang noch nicht erfüllt.
Brasilien ist das Land der Gegensätze. Auf der einen Seite kämpfen vornehmlich Aussenstehende für den uneingeschränkten Schutz und Erhalt der Natur, auf der anderen Seite fordern Betroffene ein wenig Technologie und Fortschritt im täglichen Kampf ums Überleben. Und dass ein solcher Spagat bei der Abwägung aller Möglichkeiten immer nur sehr schwer zu realisieren ist, darüber machen sich viele gar keine Gedanken.
Besonders die im häufig im Ausland anzutreffenden Kritiker der brasilianischen Umweltpolitik, fokussiert auf den amazonischen Regenwald, den sie in den seltensten Fällen tatsächlich einmal zu Gesicht bekommen haben, sollten auch einmal an die Menschen denken, die dort leben. Haben diese Menschen kein Strom verdient? Dürfen diese Menschen dort nachhaltige Landwirtschaft betreiben, Obst und Gemüse anbauen? Oder sollen sie sich diese Menschen aus den abgelegenen Regionen zurückziehen und wie viele Millionen vor ihnen an den Rand der grossen Metropolen ziehen?
Immer mehr Schutzgebiete sollen in Amazonien ausgewiesen werden, die aber auch weit in bereits durch Kleinbauern bewirtschaftete Flächen hineinreichen würden. So fordern es NGOs weltweit, ohne sich mit dem Schicksal der dort lebenden Menschen zu beschäftigen. Die brasilianische Regierung unter Staatspräsident Luiz Inácio Lula da Silva jedoch stellt sich gegen die Forderungen, die vornehmlich aus Europa nach Brasilien dringen. Nachaltige Entwicklung Amazoniens ja, totaler Schutz niemals. Seiner Aussage nach haben die Menschen in Amazonien ebenfalls das Recht auf Entwicklung und Fortschritt. Und dazu zählen eben auch Massnahmen zur Infrastruktur und Versorgung. Soweit die Planung aus dem Jahr 2004.
Doch bis heute ist am Rio Xingu nichts geschehen und trotz wiederholter Proteste ziehen sich die Verfahren weiterhin in die Länge. Die zuständige regionale Elektrizitätsgesellschaft Celpa hatte schon 2005 die ländlichen Bewohner der Gemeinde São Félix do Rio Xingu registriert, doch dies war schon alles. 2006 fuhren Vertreter der örtlichen Bauerngemeinschaft ins weit entfernte Belém, um sich über den Stand der Dinge zu informieren, doch mit mehr als Versprechungen kehrten sie nicht nach Hause zurück. Weiterhin warten mehr als 2.500 Familien auf den Einzug von Steckdose und Glühbirne in ihre Häuser.
Doch nach jüngsten Protesten und vermutlich auch nach einer Intervention der brasilianischen Regierung hat Celpa inzwischen angekündigt, das Projekt nun zügig zu verwirklichen. Dafür muss allerdings eine 300 Kilometer lange Hochspannungsleitung durch weite Teile des Regenwaldes verlegt werden, eine „Schneise der Verwüstung“ – wie es mancher Regenwaldfreund wohl bezeichnen würde. Für die Menschen dort ist es jedoch die Erfüllung eines Traumes.
Denn mit der Elektrizität können die Obst- und Gemüsebauern ihre Geschäfte ausweiten, die Produktion erhöhen und sich ein wenig Wohlstand erarbeiten. Besonders die sich weltweit immer grösserer Beliebtheit erfreuenden Fruchtkonzentrate wie z.B. aus Acaí könnten dann dort hergestellt werden. Es fehlt jedoch bislang an Kühlmöglichkeiten zum Konservieren, an Stromanschlüsse für die Pressen. Die Menschen selbst haben ja noch nicht einmal einen Kühlschrank zu Hause, kochen entweder ihr Fleisch oder pökeln es und lassen es anschliessend in der Sonne trocknen.
Diese Kleinbauern kämpfen somit täglich ums Überleben, leben faktisch wie vor 100 Jahren und wünschen sich einfach nur, der Zivilisation ein wenig näher zu kommen. Nur manche haben einen Generator, womit sich sich abends für einige Stunden das Wohnzimmer erhellen. Was sie sich wünschen ist kein Luxus, keine Autobahn – eine Steckdose würde schon reichen. Denn damit könnte man eine Wasserpumpe betreiben, die Magarine kalt stellen und sich abends die Nachrichten ansehen. Die selbsternannten Retter des Regenwaldes stellen sich jedoch aus welchen Gründen auch immer gegen die dortige Entwicklung. Lösungen für diese Menschen sucht man in den Programmen der Organisationen allerdings vergeblich. Als wären sie gar nicht da, übersehen und vergessen.
Auch wenn die Region letztendlich dünn besiedelt ist, selbst dort existieren inzwischen Schulen und Gesundheitsposten. Letztere haben natürlich ebenfalls unter der fehlenden Elektrizitätsversorgung zu leiden. Ein Beispiel ist ein Posten in einem Dorf unweit von São Félix. In Notfällen muss die dortige Krankenschwester sich den Generator eines Nachbarn ausleihen, um Patienten in den Abend oder Nachstunden zu betreuen. Der Gesundheitsposten ist zwar prinzipiell gut ausgerüstet, verfügt über Behandlungszimmer, Büro- und Warteräume, sogar eine kleine Apotheke ist integriert, mit allen wichtigen Medikamenten für die dort häufig auftretenden Krankheiten. Allerdings finden sich dort nur Präparate, die nicht gekühlt gelagert werden müssen. So manche notwendige Injektion kann daher dort nicht verabreicht werden. Bis zu 180 Patienten werden monatlich betreut, alle drei Monate kommt ein Arzt vorbei.
Das Programm „Licht für Alle“ ist ein brasilianischer Traum. Es ist die Hoffung auf eine bessere Zukunft, auf mehr Lebensqualität, mehr Information und mehr Integration. Es ist der Traum derjenigen Menschen, die seit Generationen fernab der grossen Städte im Einklang mit und von der Natur leben und dies auch nur können, weil sie ihren Lebensraum bewahren. Und doch wünschen sich die Bewohner, von vielen Regierungen für lange Zeit vergessen oder absichtlich übersehen, in ihrem abgelegenen Winkel im Hinterland Brasiliens ein klein wenig Fortschritt. Dort auf einem Fleck Erde, auf dem eigentlich gar keine Menschen leben dürften und auch gar nicht leben – glaubt man den selbsternannten Rettern Amazoniens in der 1. Welt.
dazu brauche ich nicht einmal in die ferne schauen. bereits 5 km ausserhalb unseres staedtchens gibt es einige kleine siedlungen-ohne strom. die menschen besitzen keine elektrischen geraete. abends brennt ein kleines feuer vor der huette-und um 20.00uhr ist alles am schlafen.
… ich kenne die Gegebenheiten vor Ort nicht, allerdings denke ich, dass eine kombinierte Lösung aus Wind- und Solarenergie angebrachter ist. Die Einwohner benötigen im Moment nicht sonderlich viel Energie und bei einer eventuellen Industrialisierung könnte man die von mir vorgeschlagene Lösung weiter ausbauen. Ein Hochspannungskabel dieser Länge ist wesentlich teurer…