Aufräumaktion im Herzen einer Millionenmetropole. Weil der Bürgermeister von São Paulo, Gilberto Kassab, anscheinend von sofort auf gleich die schönste Stadt Brasiliens mit patriotischen Bürgern will, muss alles weichen, was dem im Wege steht. Und den Rest machen wir einfach neu.
Waren es zuerst nur die riesigen Werbeplakate an den Hochäusern, bekamen danach die Marktschreier einen Maulkorb. Zudem müssen Kinder ab sofort in der Schule wieder die Nationalhymne singen. Und eine neue offizielle Stadthymne soll es ebenfalls geben. Eine Stadt macht sich schick.
Da passt ein altes und heruntergekommenes Zentrum gar nicht. Nun wurde beschlossen, das Viertel „Crackolândia“, benannt nach der Droge Crack, einzustampfen. Rund 50 zerfallene und teilweise von Obdachlosen besetzte Gebäude sollen bereits im Oktober dem Erdboden gleichgemacht werden. Die Drogenabhängigen, darunter viele Jugendliche, die dort derzeit ganz ungehemmt das billige Abfallprodukt bei der Kokainherstellung in aller Öffentlichkeit konsumieren, werden dann vertrieben. Geholfen wird ihnen dann vermutlich noch weniger.
Rund 270.000 Quadratmeter wurden zur öffentlichen Nutzung deklariert. Betroffen sind insgesamt 1.500 Immobilien. Nach der vollständigen Enteignung, die bereits letztes Jahr gerichtlich durchgesetzt wurde, soll alles schön unterteilt und versteigert werden. Und natürlich haben die brasilianischen Baulöwen wie Odebrecht haben schon Interesse angemeldet, dort aus Beton, Stahl und Glas ein neues São Paulo zu erschaffen. Wahre Marmorpaläste und Edelbutiquen werden dort enstehen. Dort, wo nun alles viel mehr Wert hat wie früher. Im Geldbeutel wie im Geiste. Kassab-City im Herzen einer Millionenmetropole.
Achja, der Stadtteil heisst offiziell übrigens „Nova Luz“ – „neues Licht“.