Brasiliens Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva hat seinen Haftantritt in eine politische Inszenierung verwandelt. Die von Richter Sérgio Moro gesetzte Frist, sich am Freitag (6.) zum Antritt seiner Gefängnisstrafe freiwillig bis 17 Uhr bei der Bundespolizei in Curitiba einzufinden, hat er verstreichen lassen.
Stattdessen hat sich Lula seit Donnerstagabend mit Freunden, Familienangehörigen und führenden Parteikollegen ins Gebäude der Metallerwerkschaft in São Bernado de Campo (São Paulo) zurückgezogen, während seine Anwälte alles unternehmen, um die Haft doch noch zu vermeiden. Unter anderem haben sie sich an den UN-Menschenrechtsausschuß gewandt.
Der Haftantritt ist am Donnerstag von Bundesrichter Sérgio Moro verordnet worden. Dem vorausgegangen war am Mittwoch die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes STF, einen vorsorglichen „habeas corpus“ zu verweigern. Mit dem Haftaufschub sollte erreicht werden, dass Lula bis zum Abschluß sämtlicher, rechtlichen Möglichkeiten auf freien Fuß bleiben kann.
Er wurde im Januar in zweiter Instanz zu zwölf Jahren und einem Monat Haft verurteilt. Die Richter sahen es als erwiesen an, dass der Ex-Präsident und Ex-Gewerkschaftler vom Bauriesen OAS Schmiergeld in Form einer Triplex-Wohnung und deren Luxussanierung erhalten hat.
Lula spricht von fehlenden Beweisen und einer politischen Verfolgung. Seine Anwälte verweisen darauf, dass noch nicht alle Einspruchsmöglichkeiten in der zweiten Instanz ausgeschöpft und eine Verhaftung deshalb illegal sei, wie sie konstatieren.
Brasilien selbst ist zweigeteilt. Seit Mittwoch (4.) kommt es in mehreren Städten zu Demonstrationen. Das Gewerkschaftsgebäude in São Bernado ist seit Donnerstag von einer wachsenden Menschenmenge von Unterstützern Lulas umstellt. In 24 Bundesstaaten ist es am Freitag zu Protesten gegen die Verhaftung der linken Symbolfigur gekommen. In fünf Bundesstaaten wurde gegen die Korruption und gegen Lula demonstriert.
Der war einst Brasiliens beliebtester Präsident. Laut Umfragen wäre er bei den Präsidentschaftswahlen im Oktober der aussichtsreichste Kandidat auf das Amt. So wie es aussieht wird er nun aber am Samstag (7.) nach einer Gedenkmesse für seine vor einem Jahr verstorbene Frau verhaftet werden.