Brasilien will gegen die Entscheidung eines italienischen Gerichtes vorgehen, Henrique Pizzolato nicht an das südamerikanische Land auszuliefern. Der ehemalige Marketingchef der Banco do Brasil ist in Brasilien im Zusammenhang des Korruptionsskandal „Mensalão“ wegen Geldwäsche und Veruntreuung zu über zwölf Jahren Haft verurteilt worden. Kurz vor Verkündung des Urteils floh Pizzolato jedoch mit einem gefälschten Pass nach Italien. Eine Auslieferung wurde von den dortigen Behörden jedoch mit dem Hinweis auf die menschenunwürdigen Zustände in den brasilianischen Gefängnissen abgelehnt. Pizzolato besitzt sowohl die italienische als auch die brasilianische Staatsbürgerschaft.
Die Missstände in den mehr als überfüllten brasilianischen Gefängnissen werden seit Jahren von verschiedener Seite beklagt und angeprangert. Die Gefängnisseelsorge kritisiert beispielsweise, dass in fast allen Strafanstalten gesundheitsschädliche Bedingungen herrschen und es keine Politik zur Wiedereingliederung der Straffälligen in die Gesellschaft gebe. Gewalttätige Meutereien, kriminelle Parallelgesellschaften und Morde in den Haftanstalten sind keine Seltenheit. Morde an Mithäftlingen wurden auch in dem Gefängnis verzeichnet, in das Pizzolato hätte eingeliefert werden sollen.
Über 700.000 Gefangene sitzen in den brasilianischen Haftanstalten ein. Allerdings sind diese lediglich für die Hälfte der Zahl ausgelegt. Nach Angaben des Justizministeriums sind etwa 44 Prozent der Gefängnisinsassen nicht verurteilt, sondern warten noch auf ihre Schuldsprechung.
Die Vereinigung der Richter und Staatsanwälte Brasiliens (AMB) gibt der italienischen Justiz recht und spricht von einem chaotischen und inhumanen Haftsystem Brasiliens sowie einer Verletzung der Menschenrechte. Von Seiten einiger Politiker wird der Gerichtsentscheid hingegen als Revanche auf den Fall Cesare Battisti gesehen. Battisti war wegen vierfachen Mordes in Italien zu lebenslänglich verurteilt worden, ist jedoch aufgrund einer Entscheidung des ehemaligen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva nicht an Italien ausgeliefert worden. Vielmehr hat er in Brasilien politisches Asyl erhalten. Battisti soll Mitglied einer militanten kommunistischen Vereinigung gewesen sein.
Die brasilianische Generalstaatsanwaltschaft bereitet derzeit einen Widerspruch gegen den Urteilsspruch in Italien vor.