Die Mehrheit der Brasilianer hat sich bei den Präsidentschaftswahlen am Sonntag (26.) für die Amtsinhaberin Dilma Rousseff entschieden. Das Ergebnis spiegelt allerdings ein zweigeteiltes Land wieder. Für die Vertreterin der Arbeiterpartei PT haben sich 51,6 Prozent der Wähler entschieden. Aécio Neves von der Mitte-Rechts gerichteten PSDB erhielt 48,4 Prozent. Leicht wird es die neue Präsidentin deshalb nicht haben, denn noch nie ist in Brasilien eine Wahl so knapp ausgefallen. Nur etwas mehr als drei Prozent oder vier Millionen Stimmen reichten Dilma Rousseff zum Sieg. Vor allem in den ärmeren Bundesstaaten des Nordens und Nordostens konnte Rousseff punkten. Neves erzielte indes im reicheren Süden und Zentrum die Mehrheit.
Bereits kurz nachdem das Ergebnis feststand beglückwünschte Neves die alte und neue Präsidentin. In einer ersten Reaktion sprach er von einer „erfüllten Mission“ und verwies darauf, dass die Präsidentin nun vor der Herausforderung stehe, Brasilien zu vereinigen. Mit Viva-Rufen wurde Rousseff bei ihrer ersten Ansprache empfangen. Immer wieder wurde sie von Begeisterungsausbrüchen unterbrochen. An der Seite ihres Mitstreiters und Ex-Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva sprach sie von „historischen Wahlen“ und versprach die Bekämpfung der Korruption sowie Veränderungen. Die von vielen Brasilianern geforderten politischen Reformen will sie nun umgehend mit einer Volksabstimmung einleiten. Darüber hinaus rief sie zu einem Dialog über die Parteien hinweg und zu einer Debatte mit der Bevölkerung auf.
Kaum eine Wahl hat die Gemüter der Brasilianer so sehr erregt wie diese. Noch im August galt laut den Umfragen Dilma Rousseff als Favoritin. Mit dem Tod von Präsidentschaftskandidaten Eduardo Campos hatte sich das Szenario allerdings verändert. Zwischenzeitlich hatte es so ausgesehen, als würde es einen zweiten Wahlgang zwischen Rousseff und Ex-Umweltministerin Marina Silva geben, die für den bei einem Flugzeugabsturz verunglückten Campos ins Rennen ging. Bei der Wahl Anfang Oktober ging dann jedoch überraschenderweise nicht Silva sondern Neves als zweitstärkster Kandidat hinter Rousseff hervor. In den drei Wochen vor der Stichwahl wechselten sich Neves und Rousseff bei den Umfragen an der Spitze jeweils ab. Überschattet war der Wahlkampf zudem von Enthüllungen diverser Skandale, in die vor allem Lulas Arbeiterpartei verwickelt sein soll.