In einer landesweit übertragenen Fernsehansprache hat Brasiliens Staatspräsidentin Dilma Rousseff am Freitag erstmals konkret zu den anhaltenden Massenproteste im Land Stellung genommen und zeitgleich eine Vielzahl von Veränderungen versprochen. So soll in den kommenden Jahren unter anderem deutlich mehr Geld in Bildung und Gesundheitswesen investiert, der öffentliche Nahverkehr landesweit ausgebaut und die Korruption stärker bekämpft werden.
Auch mit Vertretern der sozialen Bewegungen will sich das Staatsoberhaupt bereits in Kürze treffen und deren Argumente und Forderungen anhören. In der knapp zehnminütigen Rede zur besten Sendezeit am Abend bestätigte die 65-jährige die Proteste als Zeichen einer „starken Demokratie“, verurteilte jedoch zugleich die Gewaltakte einer „kleinen Minderheit“ aufs Schärfste. Die Randalierer würden Schande über Brasilien bringen.
„Brasilien hat viel gekämpft um ein demokratisches Land zu werden. Und es kämpft weiter um ein gerechteres Land zu werden. Es war nicht leicht, dorthin zu gelangen, wo wir jetzt sind. Und es wird nicht leicht werden, dahin zu gelangen wohin viele wollen, die nun auf die Straße gehen. Dies wird nur gelingen, wenn wir die Demokratie sowie die Macht der Bürger und der Republik stärken. Die Demonstranten habe das Recht und die Freiheit alles zu kritisieren, zu hinterfragen und Änderungen zu fordern, für eine bessere Lebensqualität zu kämpfen und ihre Ideen und Vorschläge mit Leidenschaft zu verteidigen, aber sie müssen dies auf friedliche und geordnete Weise tun“ so die Wunschnachfolgerin des ehemaligen Staatspräsidentin Luiz Inácio Lula da Silva.
„Großer Pakt“ soll Veränderungen ermöglichen
Die Regierung sei sich der Forderungen der Demonstranten bewusst. Sie sicherte zu, die Verantwortlichen aus allen Bereichen an einen Tisch zu bringen um „einen großen Pakt“ zu schliessen, durch den die öffentlichen Dienstleistungen verbessert werden sollen. In diesem Zusammenhang nannte Rousseff vier Prioritäten: demnach werde ein nationaler Plan für den öffentlichen Nahverkehr entwickelt, sämtliche Einnahmen aus der Erdölförderung kämen dem Bildungssystem zugute, tausende Ärzte aus dem Ausland würden zukünftig die Arbeit des öffentlichen Gesundheitssystem unterstützen und nicht zuletzt würden die Anführer der friedlichen Demonstrationen zu Gesprächen eingeladen werden.
Rousseff betonte zudem, dass das politische System im Land dringend „mehr Sauerstoff“ benötige um die Tunichtgute aufzudecken. Dies allerdings setze eine politische Reform und die Erweiterung des bestehenden Informationsfreiheitsgesetzes voraus. Das Gesetz sei ein machtvolles Instrument, um die öffentlichen Ausgaben zu kontrollieren.
Am Ende verteidigte das Staatsoberhaupt die Milliardeninvestitionen für die Fußball-WM 2014. Sämtliche Ausgaben hätten im Rahmen der projektierten Kosten gelegen. Zugleich offenbarte sie ihre Besorgnis über ein mögliches negatives Image Brasiliens gerade im Hinblick auf den derzeit ausgetragenen FIFA-Konföderationenpokals 2013. Brasilianer seien im Ausland stets freundlich empfangen worden, gleiches dürften auch Besucher aus dem Ausland erwarten. Brasilien werde als fünfmaliger Champion eine „großartige Weltmeisterschaft“ ausrichten, so Rousseff abschliessend.
In Brasilien gehen seit Anfang Juni fast täglich mehr Menschen auf die Straßen um gegen Korruption, Verschwendung von Steuergeldern und für bessere Bedingungen in Bereichen Bildung, Gesundheitswesen und Nahverkehr zu demonstrieren. Bis auf eine kurze Stellungnahme im Rahmen einer anderen Veranstaltung hatte Staatspräsidentin Dilma Rousseff zu den Vorfällen bislang eisern geschwiegen.
Inzwischen haben die Proteste sich jedoch über das gesamte Land ausgebreitet. Alleine am vergangenen Donnerstag (20.) demonstrierten mehr als 1,2 Millionen Menschen in über 100 Städten. Überschattet wurden die meist friedlichen Demonstrationen in den vergangenen Tagen in manchen Städten von Gewalteskalationen kleinerer radikaler Gruppen, bei der die Polizei brutal auch gegen friedliche Teilnehmer und Journalisten vorging. Nach offiziellen Angaben kamen bislang zwei Menschen ums Leben, hunderte Demonstranten – darunter auch Kinder und alte Menschen – wurden teilweise schwer verletzt.