Polit-Posse in Brasilien: Kann Kongress-Clown Tiririca lesen und schreiben?

tiririca

Datum: 04. Oktober 2010
Uhrzeit: 23:49 Uhr
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Autor: Dietmar Lang
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Mit seinem Wahlkampfslogan „Schlimmer kanns nicht werden“ hat in Brasilien der bekannte TV-Clown „Tiririca“ einen grandiosen Wahlerfolg bei den Parlamentswahlen erzielt. Der unter seinem bürgerlichen Namen „Francisco Everardo Oliveira Silva“ eher unbekannte Spassmacher erhält damit einen Sitz im Nationalkongress in der Hauptstadt Brasília. Kein Abgeordneter konnte bei den allgemeinen Wahlen am vergangenen Sonntag mehr Stimmen auf sich vereinen als der 45-jährige. 1.353.820 Wähler votierten für ihn, was einem Anteil von 6,35 Prozent unter den 1.169 Kandidaten des Bundesstaates São Paulo entspricht.

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Vor allem durch verschiedene Comedy-Shows im brasilianischen Fernsehen erlangte der Klaumauk-Künstler ab Mitte der 90er Jahre nationale Berühmtheit, die er nun selbstverständlich auch im Wahlkampf zu nutzen wusste. Neben einem witzigen Jingle und der leicht zu merkenden Kandidatennummer 2222 hielt er sich auch mit kessen Sprüchen nicht zurück. „Was macht ein Kongressabgeordneter denn eigentlich so? Ehrlich gesagt, ich weiss es nicht. Aber wenn Sie mich wählen, werde ich es Ihnen verraten“ plapperte er fröhlich in seinen Wahlkampfspots im Radio und Fernsehen drauflos.

Dass man als Spaßmacher der Nation weder lesen noch schreiben können muss, dürfte jedem einleuchten. Bei einem Kongressabgeordneter sieht das etwas anders aus. Die brasilianische Verfassung sagt in Artikel 14 eindeutig, dass Analphabeten nicht wählbar sind. Und darum wird nun gestritten. Denn bereits seit einigen Wochen liegt der Vorwurf auf dem Tisch, dass der „Muffel“, so die deutsche Übersetzung seines Künstlernamens, nicht alphabetisiert sei. Dies wäre laut einem Nachrichtenmagazin bei unterschiedliche Schriftproben zwischen der Deklaration, Lesen und Schreiben zu können sowie verteilten Autogrammen aufgefallen.

Am 29. September hatte ein Wahlgericht in São Paulo zunächst einen Antrag des zuständigen Staatsministeriums auf Überprüfung der Alphabetisierung zurückgewiesen. Der Richter begründete seine Entscheidung damit, dass es kein Motiv gäbe, warum Francisco Silva kein Kandidat sein solle, selbst wenn er nicht über eine Grundbildung verfüge. Dies bedeute nicht gleichzeitig, dass er Analphabet sei.

Am Montag und damit nur einen Tag nach dem Urnengang gab die Wahlbehörde dem Antrag dann jedoch statt. „Tiririca“ muss nun binnen 10 Tagen beweisen, dass er des Lesens und Schreibens mächtig ist und somit alle Erfordernisse für eine Kandidatur erfüllt. Die Diskrepanz im Schriftstil wurde laut dem Richter ganz offiziell in einem kriminalistischen Institut festgestellt. Dies sei eine ausreichende Grundlage für eine genauere Überprüfung. Sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten, verliert der TV-Clown sein Mandat.

Ob „Tirirca“ darüber Lachen kann, darf bezweifelt werden. Denn ihm droht zudem noch ein weiteres Verfahren in Bezug auf die Offenlegung der Vermögensverhältnisse, zu der jeder Kandidat gesetzlich verpflichtet ist. Diese Daten können im Wahlkampf vom Wähler eingesehen werden, um sich ein besseres Bild von den Bewerbern der hochbezahlten öffentlichen Ämter zu machen. Auch hierbei soll er nach Meinung des Staatsministeriums geschummelt haben.

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