In weniger als 3 Wochen wählt Brasilien einen neuen Staatspräsidenten. Aller Voraussicht nach wird das höchste Staatsamt im grössten Land Südamerikas erstmalig von einer Frau bekleidet werden. Dies geht zumindest aus den mittlerweile fast täglich veröffentlichten Wählerbefragungen der verschiedenen Umfrageinstitute hervor. Die Wunschkandidatin des scheidenden Staatspräsidenten Luiz Inácio Lula da Silva, die ehemalige Ministerin im Präsidialamt Dilma Rousseff kommt derzeit fast durchweg auf über 50 Prozent der Stimmen und könnte dadurch den Wahlsieg bereits im ersten Wahlgang erreichen.
Rousseff profitiert laut Analysten von zwei großen Faktoren: Zum einen der weiterhin großen Popularität des Amtsinhabers und der Zustimmung der Bevölkerung zu dessen Wirtschafts- und Sozialpolitik sowie der programmatischen Farblosigkeit der Konkurrenten im Kampf um das Präsidentschaftsamt. Die 62-jährige stehe für Kontinuität der Politik seiner zwei Amtsperioden, betont Lula in den täglichen Wahlkampfspots im brasilianischen Fernsehen.
Nach den jüngsten Umfragewerten scheinen die anderen Kandidaten für die Wähler keine echten Alternativen darzustellen. Die ehemalige Umweltministerin Marina Silva liegt chancenlos mit 11 Prozent auf dem dritten Platz und dürfte noch nicht einmal eine mögliche Stichwahl Ende Oktober erreichen. Die abtrünnige Politikerin, welche Lulas Arbeiterpartei PT verlassen und zu den Grünen gewechselt ist, zeigt lediglich bei Umweltfragen Profil, in anderen Bereichen will auch sie mehr oder weniger die Politik des Amtsinhabers fortsetzen.
So auch José Serra: der ehemalige brasilianische Gesundheitsminister und Gouverneur des Bundesstaates São Paulo von den Sozialdemokraten PSDB verlor in den vergangenen Wochen stets an Boden und liegt mittlerweile auf 27 Prozent. Seine „konservative Politik“ unterscheidet sich gerade im Wirtschaftsbereich nur geringfügig vom Programm seiner dominierenden Konkurrentin. Zudem leistete er sich im Wahlkampf im Bereich der Außenpolitik mehrere Patzer. Erschwerend kommt hinzu, dass er bereits 2002 gegen Lula als Präsidentschaftskandidat antrat und in der Stichwahl mit 61 zu 39 Prozent haushoch verlor.
In allen Großregionen Brasiliens stehen daher derzeit die Zeichen ganz auf einem Wahlsieg der perfekt positionierten Politikern, die bereits im März 2009 vom damals frisch gewählten US-Präsidenten Barack Obama im Weissen Haus empfangen wurde. Selbst im Süden liegt die Wirtschaftswissenschaftlerin mit bulgarischer Abstammung mit 42 Prozent Zustimmung deutlich vor Serra (34%). Und in der Hochburg der PT im Nordosten vereinigt sie mittlerweile sogar 65 Prozent der Stimmen auf sich.
Die Opposition versucht sich nun immer stärker mit Verbal-Attacken zu profilieren und thematisiert weniger die eigene Programmatik als den „Sumpf der Korruption“, in welchem Dilma Rousseff angeblich stecken soll. Demnach habe ein Sohn von Rousseffs Exekutivsekretärin und Nachfolgerin im Präsidialamt Erenice Guerra seinen Bekannten lukrative Regierungsaufträge vermittelt. Am Donnerstag trat Guerra nun mit der Begründung zurück, sie benötige „Ruhe für ihre Verteidigung“.
Ein solcher Skandal könnte nun tatsächlich die Popularität der „eisernen Lady“ schmälern, die manchmal recht brüsk anderen Politikern oder Journalisten gegenüber auftritt. Inzwischen muss es gerade für Serra um jeden Prozentpunkt gehen, um nicht bereits im ersten Wahlgang am 03. Oktober den Kampf um das Präsidentschaftsamt zu verlieren. Und so dürften der Wahlkampf auf der Zielgeraden noch deutlich an Schärfe gewinnen.
Grafik: Datafolha/Globo/brasilien Magazin