Der ehemlige Gouverneur des Bundesstaates São Paulo und Präsidentschaftskandidat José Serra (PSDB) hat erneut Staatspräsident Evo Morales wegen seiner liberalen Haltung gegenüber der Koka-Pflanze scharf kritisiert und der Komplizenschaft mit dem Drogenschmuggel beschuldigt. „Die bolivianische Regierung ist mit der Ausfuhr der Drogen nach Brasilien einverstanden, welche das Leben unserer Jugend beendet“ so Serra auf einer Wahlkampfveranstaltung in Cuiabá im Bundesstaat Mato Grosso. Er forderte in diesem Zusammenhang eine verstärkte Sicherung der 710 Kilometer langen Grenze des Bundesstaates zu Bolivien, derzeit beliebte Schmuggelroute für Kokain aus dem Nachbarland.
Serra forderte die bolivianische Regierung zudem auf, den Schmuggel mit den illegalen Substanzen einzudämmen. Auch kritisierte er die brasilianische Entwicklungsbank BNDES, die derzeit eine Strassenbauprojekt auf bolivianischem Territorium finanziert, was den Transport der Drogen erleichtere. Zumindest als Gegenleistung müsse Bolivien nun stärker den Drogenhandel kontrollieren, erklärte er in Hinblick auf die von Brasilien für die neue Verbindungsstrasse bereitgestellten Gelder.
Laut Serra kommt das in Brasilien konsumierte Kokain fast gänzlich aus Bolivien. Der Anstieg an nach Brasilien ausgeführtes Kokain weise zudem eindeutig auf eine stetige Ausweitung der Anbauflächen hin. Hier trage besonders die Regierung von Evo Morales die Schuld. Ähnliches hatte der Spitzenkandidat bereits vor einigen Tagen behauptet und damit für diplomatische Spannungen zwischen Brasilien und Bolivien gesorgt. Damals sagte er wortwörtlich: „Das Kokain kommt zu 80 bis 90 Prozent aus Bolivien, was eine befreundete Regierung ist, nicht wahr? Glaubst du etwa, dass Bolivien 90 Prozent des in Brasilien konsumierten Kokains ausführen kann ohne dass die Regierung Komplize dabei ist? Unmögich. Die bolivianische Regierung ist Komplize dessen.“
Staatspräsident Luiz Inácio Lula da Silvas Leiter für auswärtige Angelegenheiten im Präsidialamt, Marco Aurélio Garcia, attestierte Serra daraufhin den Titel „Exterminator der Zukunft“ in der brasilianischen Aussenpolitik. Lulas Wunschnachfolgerin Dilma Rousseff äusserte sich ebenfalls kritisch über die Äusserungen ihres Kontrahenten. „Es ist eine Sache, zu sagen, die Drogen kommen aus Bolivien. Es ist aber eine andere Sache, zu sagen, die Regierung ist dafür verantwortlich.“ so Rousseff. Ihrer Aussage nach arbeiten beide Länder gemeinsam an der Bekämpfung des Drogenhandels. Kritik musste Serra auch von der Grünen Spitzenkandidatin und ehemaligen Umweltministerin Marina Silva einstecken. Die Behauptung „einer Kompizenschaft“ der bolivianischen Regierung mit dem Schmuggel von Kokain sei „besorgniserregend“. Man müsse eine Allianz bilden, die Beziehungen müssten ausgeglichen sein. Eine solche Anschuldigung sei ungerecht dem bolivianischen Volk gegenüber.
In La Paz reagierte man gelassen auf die Anschuldigungen. „Herr Serra möchte die Sympathie der US-Regierung gewinnen und beschuldigt daher einfach alle des Drogenhandels“ erklärte der bolivianische Innenminister Gustavo Torrico, zuständig für die Kontrolle des Kokaanbaus. Man bereite jedoch noch eine entsprechende Antwort vor, die in den kommenden Tagen veröffentlich werden soll.
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