Honduras – Krise: Lula hält Reaktionen von Putschisten für ‚übertrieben‘

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Datum: 22. September 2009
Uhrzeit: 23:57 Uhr
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Autor: Dietmar Lang
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lula-newyorkFür Brasiliens Staatspräsident Luiz Inácio Lula da Silva reagiert die Putschregierung in Honduras „übertrieben“ in der Form, wie sie den abgesetzten Präsidenten Manuel Zelaya behandeln. Lula, der sich derzeit in New York bei der UN-Vollversammlung aufhält, fordert eine Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrates, um die Krise beizuwenden und die Intigrität der brasilianischen Botschaft in Tegucigalpa und die Sicherheit des gestern aus dem Exil zurückgekehrten Zelaya und aller anderen sich darin aufhaltenden Personen zu gewährleisten.

Die brasilianische Auslandsvertretung in der Hauptstadt des zentralamerikanischen Staates ist seit dem frühen Dienstagmorgen komplett von Spezialeinheiten der Polizei und des Militärs abgeriegelt. Zeitweise wurde sogar auf Anordnung der Putschisten die Strom- und Wasserversorgung unterbrochen. Vor dem Gelände kam es zwischen den Anhängern des demokratisch gewählten Staatsoberhauptes und den Sicherheitskräften zu Zusammenstössen. Polizei und Militär setzten nach Augenzeugenberichten Beschallungsanlagen, Wasserwerfer, Tränengas und Gummigeschosse ein. Hunderte Personen sollen in einem Stadion zusammen getrieben worden sein.

Über das ganze Land wurde bereits kurz nach der überraschenden Rückkehr Zelayas für Nacht zum Dienstag ein Versammlungsverbot und eine Ausgangssperre verhängt, welche am Dienstag nochmals verlängert wurde. Auch die inländischen Medien werden derzeit von den Putschisten stark kontrolliert. Dies soll laut den neuen Machthabern „die Ruhe, das Leben und den Besitz der Menschen“ schützen.

Laut einer Botschaftsmitarbeiterin halten sich derzeit über 50 Personen in den Räumlichkeiten der brasilianischen Botschaft auf, darunter der vor 86 Tagen nach Costa Rica abgeschobene Mel Zelaya. Seit dem frühen Abend steht Strom und Wasser zwar wieder zur Verfügung, die Telefonleitungen sind jedoch weiterhin gekappt. Die Kommunikation findet daher ausschliesslich über Mobiltelefone statt. Auch fehle Trinkwasser sowie Lebensmittel, erklärte die Diplomatin in einem Telefoninterview mit einem brasilianischen Nachrichtenmagazin.

Putschisten fordern weiterhin Auslieferung von Zelaya

Die neuen Machthaber in Honduras fordern von Brasilien entweder die Auslieferung Zelayas, damit dieser vor Gericht gestellt werden könne oder die Gewährung politischen Asyls. Dann müsse er jedoch von der brasilianischen Regierung umgehend ausser Landes gebracht werden. Brasilien müsse ganz klar den Status Zelayas in den Räumlichkeiten der brasilianischen Auslandsvertretung definieren.

Zelaya selbst bestätigte in einem Interview am Abend, in der Botschaft zwar Schutz gesucht zu haben, jedoch keinesfalls die Absicht habe, politisches Asyl zu beantragen. Er suche den Dialog mit den Putschisten, um als einzig legitimierter Präsident von Honduras wieder die Amtsgeschäfte zu übernehmen. Zudem äusserte er die Befürchtung, dass derzeitige „Terror-Regime“ könnte die Botschaft stürmen.

Davor warnten am Dienstag sowohl Aussenminister Celso Amorim als auch Staatspräsident Lula. Eine Verletzung der Genfer Konventionen von 1961 für diplomatische Vertretungen, die auch Honduras unterzeichnet habe, sei ein „sehr ernster“ Vorgang. Brasilien werde keine Verletzung der Immunität der brasilianischen Botschaft tolerieren, so Amorim, der sich derzeit ebenfalls in New York aufhält. Auch das US-Aussenministerium betonte in einer Stellungnahme auf der Webseite ihrer Botschaft, die Unverletzlichkeit der Botschaft zu respektieren.

Die Ministerin im Präsidialamt und mögliche Kandidatin der Arbeiterpartei PT für die Präsidentschaftwahlen in Brasilien im kommenden Jahr, Dilma Rousseff, sieht in der Aufnahme Zelayas in der Botschaft zudem keine Einmischung Brasilien in interne politische Angelegenheiten von Honduras. Ihrer Aussage nach ist das derzeitige Botschafts-Asyl Zelayas ein wichtiges Menschenrecht. Lula hatte zuvor betont, dass sein Land das gemacht hätte, was jedes demokratische Land tun würde, wenn jemand um Hilfe bäte.

Vertreter der neuen Machthaber, darunter der ehemalige Parlamentspräsident und derzeitiger Interimspräsident Roberto Micheletti, dementierten im Tagesverlauf mehrfach Pläne zur Erstürmung des Botschaftsgebäudes. Vize-Kanzlerin Martha Lorena Alvarado erklärte am Abend in einem nationalen TV-Sender, man werde keinesfalls die brasilianische Botschaft besetzten, um Zelaya dort herauszuholen. Vielmehr sei die honduranische Regierung gesprächsbereit und warte nun auf die Vermittlung des Präsidenten von Costa Rica, Óscar Arias.

Foto: Ricardo Stuckert / PR

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