Nun ist es also auch beim brasilien Magazin soweit gekommen. Anwälte haben mich angeschrieben, drohten mir zuerst mit einer Abmahnung und haben nun den Registrar und Admin-C der Webseite abgemahnt. Aber nicht wegen einem geklauten Foto oder einem Zitat aus dem Netz (was ja in diesem Fall auch nicht vorliegt), sondern wegen der zitierter Berichterstattung brasilianischer Medien und Ermittlungsbehörden (inkl. bras. Justizministerium) und Verletzung der angeblichen Persönlichkeitrechte eines deutschen Staatsbürgers, der im Januar 2007 nachweislich in Rio de Janeiro verhaftet wurde und im August 2007 von einem brasilianischen Gericht freigesprochen wurde.
Das brasilien Magazin hatte im Januar 2007 zeitnah zu den Geschehnissen am Strand von Copacabana in deutscher Sprache über die Festnahme wegen des Verdachts auf Herstellung von kinderpornografischen Schriften des ehemaligen DDR-Regimekritikers und Menschenrechtlers Alexander W. Bauersfeld berichtet. Wie übrigens dutzende andere Online-Medien auch, darunter deutschsprachige Tageszeitungen wie die FAZ oder der Spiegel. Die Berichterstattung erfolgte nach dem damaligen Sachstand, der Aussagen der brasilianischen Polizei und Justizbehörden. Es wurde nichts erfunden, hinzugedichtet oder dramatisiert. Vielmehr wurde damals sogar seitens des BrasilBlog Magazin darauf verwiesen, dass der Artikel auf die Berichte von Online-Medien vor Ort basiert und nicht nur auf internationale Pressemitteilungen, die sich in der Vergangenheit in zahlreichen Fällen als fehlerhaft erwiesen haben.
Im Verlauf der Monate verschwand der Beitrag natürlich im umfangreichen Archiv des brasilien Magazins (knapp 2.500 Artikel in 2 Jahren), allerdings ist das brasilien Magazin bei einer Suchanfrage des Namens des damaligen Tatverdächtigen [Alexander Bauersfeld] bei Google nach wie vor unter den ersten Zehn zu finden. Nach einem regen Emailaustausch von September bis November 2007, in dem der dann mittlerweile entlastete ehemalige politische Gefangene des DDR-Regimes den Freispruch „mitteilte“ eine „gütliche Einigung“ suchte, wurde der Artikel anonymisiert und sogar auf meinen Antrag aus dem Google Cache gelöscht. Gleichermassen machte er jedoch in einer Mail vom 25. September 2007 folgenden Vorschlag, auf den ich jedoch nicht einging.
2) Vorschlag :Eine Entschädigung von 5.000,00 EUR (fünftausend) EUR für diese rufschädigene Veröffentlichung bis zum 30.09.2007 an mich zu zahlen: Alexander W.Bauersfeld
Konto 48 629 731 00 Blz 251 900 01
HannoverscheVolksbank
D-31303 Burgdorf / Deutschland
In der Folgezeit veröffentlichte ich zudem sogar noch einen ausführlichen Artikel über den Freispruch und schilderte einige Umstände seiner Haftbedinungen und finanziellen Aufwendungen. Damit wollte ich ihm ein Stück weit helfen. Betrachtet man sich die von ihm vermutlich erzwungenen Berichterstattungen über Alexander Bauersfeld in der deutschen Presse (ebenfalls FAZ & Co.), fallen die Meldung über den Freispruch eher dürftig aus und wirken mehr wie Gegendarstellungen im redaktionellen Kontext. Noch immer war vieles im brasilien Magazin durch die freiwilligen Änderungen anonymisiert.
Doch Bauersfeld gab und gibt keine Ruhe. Auch meine stark hervorgehobene Verlinkung über den Freispruch in dem Originalartikel, den ich aufgrund des Kontextes wieder reaktiviert hatte, hinderte ihn nicht, nun im neuen Jahr eine Rechtsanwaltskanzlei zu beauftragen, die Löschung zu fordern und eine Abmahnung anzudrohen, die in den vergangenen Tagen nun bei den deutschen Ansprechpartnern eingegangen ist und sich mit dem Relaunch der Webseite überschnitten hat.
Schon damals im Januar vermeldete die Kanzlei in einer Mail:
Auch wenn Sie über den Freispruch unseres Mandanten berichten und den neuen Artikel im ersten Bericht verlinken, so fordern wir Sie auf, den Eintrag Nr. 1896 aus ihrem Angebot zu entfernen. An einem Bericht über die Verhaftung unseres Mandanten kann nach seinem Freispruch kein berechtigtes Interesse mehr bestehen
Es wird nicht mehr darüber gesprochen, dass eventuell der Name anonymisiert werden soll. Der ganze Vorfall soll aus der Vergangenheit und aus dem Gesächtnis der Menschheit gelöscht werden. Schreiben wir die Ereignisse von damals neu oder radieren wir sie ganz einfach aus. Beim Lesen der Mail kam ich mir vor wie in Orwells 1984. Und da spielt das brasilien Magazin nicht mit.
Zudem hatte ich ein via Creative Commons in den brasilianischen Medien veröffentlichtes Bild übernommen, welches den damals frisch Verhafteten bei der Polizei zeigt. Dies soll logischerweise ebenfalls gelöscht werden. Dazu schreiben die Anwälte im Januar unter anderem:
Das Bild ist bereits auf rechtswidrige Weise entstanden, da die brasilianische Polizei Herrn Bauersfeld unter Täuschung vor die Kamera „gezerrt“ hatte.
Die Kanzlei versucht nun, mit deutschen Rechten gegen eine internationale Veröffentlichung von Ereignissen vorzugehen. Dies wird vermutlich damit begründet, dass das brasilien Magazin damals auf einer de-Domain lief und in deutscher Sprache verfasst ist. Es wird versucht, ein in Brasilien veröffentlichtes Medium, welches in den USA physikalisch gehostet wird und in nach brasilianischem Presserecht tatsächliche Geschehnisse originalgetreu wiedergibt, mit deutschen Gesetzen zu belangen. Es wird versucht, deutsche Gesetze in Brasilien zu implementieren und zur Anwendung zu bringen. Der Respekt vor den brasilianischen Gesetzen scheint den Anwälten einer norddeutschen Anwaltskanzlei dabei vollkommen abhanden gekommen zu sein.
Am meisten macht mich betroffen, dass hier versucht wird, in die Pressefreiheit eines fremden Staates einzugreifen (alle deutschen Medien haben seinen Namen übrigens ebenfalls voll ausgeschrieben) und die Vergangenheit als nicht geschehen zu deklarieren. Den Artikel über den Freispruch darf ich natürlich stehen lassen.
Diesen Eingriffen in meine Grundrechte als in Brasilien ansässiger Bürger mit denselben Rechten in Bezug auf Pressefreiheit wie jeder andere brasilianische Staatsbürger, Journalist oder jedes andere Online-Medium (bis hin zum Justizministerium, welches mit voll ausgeschriebenen Namen über die Verhaftung berichtet hat) werde ich mich nicht beugen. Ich lasse es hier voll auf einen Prozess ankommen und werde den Forderungen erst nachgeben, wenn mich ein ordentliches brasilianischen Gericht in letzter Instanz dazu verurteilt. Doch dazu wird es vermutlich nicht kommen. Denn brasilianisches Recht sieht keine Anonymisierung wie in Deutschland vor.
Bezeichnend ist auch die Aussage des Menschenrechtlers ebenfalls in der Mail vom 25.09.2007:
Sollten Sie die o.g.Veröffentlichung nicht fristgemäß herausnehmen und die vorgeschlagene Entschädigung nicht zahlen wollen, werde ich rechtliche Schritte gegen Sie einleiten. Vorsorglich weise ich Sie darauf hn (sic!), daß meine Rechtsanwältin in Rio de Janeio (sic!) bevollmächtigt ist nach den o.g. Fristen unverzüglich entsprechende Schritte einzuleiten.
Umso erstaunter war ich im Januar, dass ich die Mail nun aus Deutschland in deutscher Sprache erhielt. Die Kanzlei habe ich angeschrieben und um kurzfristige Antwort gebeten und gleichzeitig angekündigt, vorliegenden Artikel heute zu verfassen. Eine Rückmeldung habe ich bislang nicht erhalten, vielmehr mein Partner in Deutschland inkl. beigefügter Unterlassungsverpflichtungserklärung, die ich nachfolgend in einer anonymisierten Form zitiere:
Unterlassungsverpflichtungserklärung
Hiermit verpflichtet sich Herr X gegenüber Herrn Alexander W. Bauersfeld es unter Ausschluss der Einrede des Fortsetzungszusammenhanges und bei Meidung einer bei jeder Zuwiderhandlung an Herrn Alexander W. Bauersfeld zu zahlenden Vertragsstrafe von 5.200,00 EUR,
zu unterlassen,
in dem Angebot der Website www.brasilblog.de zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen:
1. In dem Hotelzimmer von Herrn Bauersfeld wurden rund 100 weitere Bilder von halbnackten Kindern in “herausfordernden” Positionen gefunden.
2. über Herrn Alexander W. Bauersfeld im Zusammenhang mit seiner Festnahme in Brasilien identifizierbar zu berichten.
3. das Bild, das Herrn Alexander W. Bauersfeld bekleidet mit einem blauem Hemd mit offenem Kragen vor einem Plakat der brasilianischen Polizei stehend zeigt, wie geschehen unter http:// www.brasilblog.de/2007/11/27/bauersfeld-keine-kinderpornos-an-der-copacabana.
Wer in eine fremdes Land reist, muss die Rechte des Gastlandes akzeptieren und respektieren und kann nicht einfach sein eigenes Gesetzbuch importieren, um vielleicht später die Gesetze des Heimatlandes anwenden zu können. Wer dieses Risiko scheut, sollte daheim bleiben. Das brasilien Magazin ist kein deutsches Medium, nur weil es in deutscher Sprache verfasst ist. Das brasilien Magazin ist ein brasilianisches Medium, welches ausschliesslich über und aus Brasilien berichtet. Dies ist so auch im Impressum deklariert. Wie nicht jede .com oder .net Domain amerikanischen Ursprungs ist, so ist nicht jede .de Domain deutschen Ursprungs, auch wenn sie dort registriert ist. Leider scheinen sich die Rechtsanwälte in diesem Bezug nicht allzusehr auszukennen. Und als brasilianisches Online-Medium hat das brasilien Magazin gegen keinerlei Persönlichkeitsrechte verstossen.
Und ich wiederhole es auch gerne noch einmal für alle, Herrn Bauersfeld hatte ich darüber auch schon in Kenntnis gesetzt:
Brasilien ist keine Bananenrepublik, in der man einfach mal so auf der Strasse verhaftet wird. Hier muss erst mal ein Vorfall geschehen, dann muss derjenige, der dies bemerkt, erst einmal mindestens hundert Meter (wenn nicht sogar mehr) zu ensprechenden Einsatzkräften laufen, die dann erstmal zum „Tatort“ kommen und sich ein Bild von der Lage machen müssen, bevor sie dann jemanden mitnehmen und der Polizei übergeben. Diese muss den Fall dann ebenfalls erst einmal prüfen, bevor dann eine Festnahme veranlasst wird. Danach muss dann sogar noch ein Richter über den Haftbefehl entscheiden. All dies ist geschehen. Laut deutschen Medien in den Berichten über den Freispruch – und den können sie nur von Bauersfeld selbst erfahren haben, denn kein brasilianisches Medium hat darüber berichtet – im Oktober 2007 wegen „übereifriger Polizisten“. Wie würde ein bekannter deutscher Comedian jetzt sagen: „Ein Teufelskreis!“
Aber genug der Spekulation: Alexander W. Bauersfeld wurde freigesprochen und möchte gerne die Archive löschen. Das Löschen seines Namens aus dem Artikel (inkl. Löschung eines ganzen Artikels inkl. Google-Cache) waren nicht genug. Und weil auch kein Schadensersatz geflossen ist, wird jetzt abgemahnt. Nicht nur mich, das brasilien Magazin steht auch mit anderen Webseiten und Foren in Kontakt, die inzwischen „Post“ erhalten haben.
Wann wird geklagt? Wo wird geklagt? Wie endet die Geschichte des Menschenrechtlers, der die Vergangenheit ausradieren will? Fortsetzung folgt ….
Die entsprechenden Artikel sind selbstverständlich noch verfügbar, ich habe sie mit Absicht hier nicht verlinkt siehe Links im obigen Artikel. Bezüglich der Zitate verweise ich auf die Nutzungsbedingungen, die eine Veröffentlichung erlauben, sofern in der Mail nicht ausdrücklich widersprochen wird. Gleiches gilt für Verwendung des Fotos unter CC2.5br – Lizenz. Stand: 29.09.2009
hmm, der alexander, ja ja 😉 ein vom leben gestrafter mann (zornige kleine welt)… nichts gegen seine verdienste, aber jetzt mal ernsthaft, der mann kann ein sehr negatives suchergebnis sein eigen nennen, du hast sehr umfassend und neutral über ihn berichtet.
Lass dich nicht von einer für alexander beschämenden aktion unterkriegen, schließlich kann man(n) sich nicht menschenrechtler nennen, und gleichzeitig gegen die pressefreiheit vorgehen – ein klarer fall von doppeldenk. gratulation herr menschenrechtler
viele grüße aus curitiba
Da träumt wer den Traum vom schnellen Geld eingetrieben über Gesetzesparagrafen. Und ich weiß auch, welche Partei der Nutznießer dieser Klagefreudigkeit sein wird: Die Anwaltskanzlei. Die macht gut Asche damit.
Die ganze Geschichte geht auf Erpressung hinaus. Wie schlecht muss es diesem „Menschenrechtler“ gehen, wenn er müde 5.000 Euro „Schadensersatz wegen Rufschädigung“ vom Betreiber dieses Blog anwaltlich einfordert. Mit Frist bis September 2007 (!). Dass daraus bis Januar 2009 offenbar nichts geworden ist, scheint ihm und dieser eigenartigen Anwaltskanzlei die Aussichtslosigkeit seines Unterfanges aufzuzeigen.
Abgesehen davon: der Ruf ist und bleibt geschädigt, da nützt auch ein Löschen von Beiträgen nichts (das im Übrigen seitens des Betreibers freiweillig erfolgte. Das Urteil möchte ich sehen, dass Medien wie den SPIEGEL oder O GLOBO zwingt, die entsprechenden Beiträge in diesem Fall zu „löschen“.
Wer hunderte von Aufnahmen halbnackte brasilianischer Kinder am Strand macht ist zunächst einmal ein mieser Typ, es sei denn, er tut dies beruflich für eine Agentur und natürlich mit vollem Einverständnis der Erziehungsberechtigten der Kinder.
Nun wäre es interessant, wenn die brasilianischen Polizeibehörden und die brasilianische Strafjustiz gegen die schwerwiegenden und öffentlichen Anschuldigen dieses Herrn vorgehen würden, er sei in der brasilianischen Haft misshandelt worden und sein Eigentum sei ihm abhanden gekommen. Das ist per Amtshilfe-Ersuchen über die Deutsche Botschaft kein Problem. Die entsprechende Privatklinik, in der er nach seinen angeblichen Misshandlungen sich behandeln musste, könnte zur Herausgabe der Patientenakte gezwungen werden. Was dann wohl seine Anwälte sagen würden?
Alles in allem: hier wurde versucht, sich auf Kosten brasilianischer Kinder zu animieren. Und das ist ganz einfach herausgekommen und wurde in vielen Medien kommentiert. Und wenn ein deutscher Staatsbürger sich so verhält, deswegen in Rio verhaftet wird (ein Brasilianer, der auf Sylt ohne Einwilligung der Eltern hunderte deutscher Kinder im Badezeug am Strand fotografieren würde, käme wohl ebenfalls in Haft!), ist das sehr wohl ein Thema für einen deutschsprachigen Brasilien-Blog und ein deutschsprachiges Brasilienforum. Ohne Wenn und Aber.
Und dem Betreiber von Blog und Forum ist zu wünschen, dass er weiter wie bisher ernsthaft und energisch gegen solche Typen vorgeht