104 Jahre: Architektur-Legende Oscar Niemeyer gestorben

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Datum: 06. Dezember 2012
Uhrzeit: 13:14 Uhr
Ressorts: Kultur & Medien
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Autor: Dietmar Lang
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Der brasilianische Star-Architekt Oscar Niemeyer ist tot. Er starb im Alter von 104 Jahren am Mittwochabend Ortszeit (5.) im Samaritan-Hospital in Rio de Janeiro. Bereits seit Anfang November war er in der Klinik stationär behandelt worden, in den letzten Stunden seines Lebens lag er im Koma und musste künstlich beatmet werden.

„Wir haben heute einen großen Brasilianer verloren [..] Es ist ein Tag, seinen Tod zu beweinen. Es ist ein Tag, sein Leben zu ehren“ erklärte Brasiliens Staatspräsidentin Dilma Rousseff umgehend nach der Todesnachricht. Auch viele andere Politiker, Künstler, Sportler und Architekten würdigten noch in der Nacht das Leben und Schaffen Niemeyers. Die großen TV-Sender des Landes stellten ihre Programme um, der letzte Weg des avangardistischen Baukünstlers wird in diesen Stunden live in alle Wohnzimmer des Landes übertragen.

Denn Niemeyer hat Brasilien durch sein Lebenswerk eine ganz eigene Identität verschafft. Der in Rio de Janeiro geborene Nachfahre deutscher Einwanderer beherzigte den Leitspruch der brasilianischen Flagge „Ordem e Progresso“ – „Ordnung und Fortschritt“. Dies spiegelte sich stets in seinen Projekten wider: aufgeräumte und doch futuristische Konstruktionen mit kreativen, scheinbar schwerelosen Linien. Für das ungeübte Auge schien er mit dem Grenzen der Physik zu spielen, die Schwerkraft zu vernachlässigen. Andererseits geizte er selten mit dem Platz und schuf dadurch monumentale Bauwerke inmitten gigantischer Alleen und monströs anmutenden Parkanlagen. Bestes Beispiel ist hierfür die ins Nichts gebaute brasilianische Hauptstadt Brasília.

Unternehmerisch und politisch war Niemeyer allerdings mehr als gradlinig. Zeit seines Lebens unterstütze er die kommunistische Partei Brasiliens und machte aus seiner Ideologie niemals einen Hehl. Für neue Projekte hingegen gab er ganz den Kapitalisten und verlangte teilweise horrende Preise, die dadurch provozierte Kritik schien ihn nicht zu stören. Er war stats ein unruhiger Geist und wollte auch im hohen Alter trotz zunehmenden gesundheitlichen Problemen seine Arbeit nicht aufgeben. So konnte man ihn selbst an seinem 104. Geburtstag in seinem Büro antreffen.

Erst im Juni dieses Jahres, als seine Tochter, die Designerin Anna Maria Niemeyer, mit 82 Jahren an einem Lungenödem verstarb, schien Niemeyer seine Lebenslust und Arbeitswut ein wenig verloren zu haben. Er liess sich seltener in der Öffentlichkeit blicken und machte am Ende nur noch durch seinen Aufenthalte im Krankenhaus auf sich aufmerksam. Seinen letzten großen Auftritt hatte er zum Karneval in diesem Jahr, als er im Vorfeld der weltberühmten Sambaparaden von Rio de Janeiro das gerade frisch umgebaute Sambódromo inspizierte und sich im Rollstuhl die komplette Paradestrecke hinunterfahren liess.

„Brasilien hat ein Genie verloren“ versicherte Präsidentin Rousseff am Donnerstag die Bedeutung des unkonventionellen Architekten im Regierungspalast in Brasília. In dem von ihm selbst entworfenen Gebäude soll er in den kommenden Stunden öffentlich aufgebahrt werden, zehntausende Menschen werden vermutlich von ihm Abschied nehmen. Die Beisetzung ist für Freitagnachmittag dann wiederum in Rio de Janeiro geplant. Unter dem Zuckerhut, wo Niemeyer vor über einem Jahrhundert das Licht der Welt erblickte, wird er an der Seite seiner Tochter die letzte Ruhe finden.

Der selbsternannte Pessimist Oscar Niemeyer starb 10 Tage vor seinem 105. Geburtstag. „Ich habe es satt, adeus zu sagen!“ hatte er einmal den Tod eines Freundes kommentiert. Nun sagt Brasilien „Adeus!“ zu ihm. Zu einem, wie Präsidentin Rousseff betonte, „Revolutionär und Mentor einer neuen, schönen, logischen und wie es selbst sagte, erfundenen Architektur“.

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