Mit einer mehr als enttäuschenden Beteiligung der lokalen Bevölkerung ist das Oktoberfest 2011 in Marechal Cândido Rondon in das erste von zwei Festwochenende gestartet. Im eigens dafür errichteten Veranstaltungsgelände in der Kleinstadt im Westen Paranás fand sich am Eröffnungstag mit etwa 2.500 Besuchern gerade einmal die Hälfte des erwarteten Publikums ein. Und auch am traditionell umsatzstärksten Samstag herrschte an den zahlreichen Essens- und Getränkeständen über weite Strecken kaum Betrieb.
„Der Zuspruch ist desaströs. Wäre das Fest heute schon zu Ende, wir würden massive Verluste machen“ so Supervisor João Bosca da Costa im Gespräch mit dem brasilien Magazin. Der von Bürgermeister Moacir Fröhlich engagierte pensionierte Lehrer wollte jedoch auch keinesfalls optimistisch in die Zukunft blicken. Denn nicht nur das die erwarteten Besucher ausblieben, von allen Seiten hagelte es zudem massive Kritik. Die Beschwerden reichen von zu hohen Eintrittspreisen, zu geringer kultureller Identität bis hin zu banalen Dingen wie fehlende Mülleimer oder zu wenig Auswahl beim Gerstensaft.
Denn lediglich eine größere Biermarke, die als Hauptsponsor gewonnen werden konnte, bestimmte den Konsum der Gäste. Mehrere in der Region ansässige Kleinbrauereien waren – anders als beispielsweise beim Oktoberfest in Blumenau – nicht vertreten. Angeblich, so die Begründung der Organisatoren, sei deren Kapazität für einen Ausschank auf dem traditionellen Fest nicht ausreichend. So konnten die Besucher ihren Durst ausschließlich mit einer industriell gefertigten Biermarke stillen. Und dies war mit 4,50 Reais (ca. 1,90 Euro) für den 400 ml-Becher für brasilianische Verhältnisse nicht unbedingt ein billiges Vergnügen.
Zahlreiche Gäste des ehemals überregional beachteten Festes im äussersten Westen Brasiliens an der Grenze zu Paraguay kritisierten zudem die exorbitant hohen Eintrittspreise. Am Samstag mussten stolze 32 Reais (ca. 13,50 Euro) auf den Tisch gelegt werden – doppelt so viel wie im berühmten Pendant in Blumenau. Und dies musste zudem noch mit Bargeld vollzogen werden, da sich die Organisatoren aus Kostengründen gegen die Akzeptanz von Kreditkarten entschieden. Diese sind jedoch mittlerweile in Brasilien flächendeckend verbreitet, selbst bei fliegenden Händlern an den Stränden des Landes kann inzwischen bargeldlos bezahlt werden.
Doch als wären die internen Probleme noch nicht genug, sorgte ein nicht aufzulösender Knoten von Politik und Justiz für zusätzlichen Ärger. Da das Fest, so die Begründung eines lokalen Richters, nur ein Vorwand für exzessiven Alkoholkonsum sei, wurde es von ihm kurzerhand erst ab 18 Jahren freigegeben. Und so mussten Minderjährige – auch in Begleitung ihrer Eltern – am Eingang abgewiesen werden. Für die Veranstalter ist das Verbot definitiv politisch motiviert, um dem derzeitigen Stadtoberhaupt in Hinblick auf die Kommunalwahlen im kommenden Jahr entsprechenden politischen Schaden zuzufügen.
Und so fand die Suche nach der kulturellen Identität und der deutschen Wurzeln der in der Region lebenden Menschen trotz sternenklarem Himmel und Temperaturen von über 20 Grad fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Die engagierten folkloristischen Gruppen in ihren aufwendigen Trachten und mit ihren liebevoll einstudierten Volkstänzen präsentierten sich in der Regel nur einer handvoll Besucher, die sich im Aussenbereich verlaufen hatten oder sich gerade an den in der Nähe installierten Imbiss-Ständen verköstigten.
Nur in der Haupthalle sorgten die auf zwei installierten Bühnen abwechselnd auftretenden Bands für ein wenig Stimmung. Doch auch hier hatten die Besucher jede Menge Platz, um ausgelassen zu tanzen. Zu keinem Zeitpunkt mussten die Verantwortlichen wie in der Vergangenheit die für 3.600 Personen zugelassene Halle für weitere Gäste zumindest temporär sperren, um eine Überfüllung zu vermeiden. Langjährige Kenner des nach eigenen Angaben „sympathischsten Oktoberfests Brasiliens“ kamen daher am frühen Sonntagmorgen trotz anfänglicher Zuversicht nicht mehr umhin, nun von einem „echten Debakel“ zu sprechen.
Für sie müssen die Veranstalter nun dringend einiges ändern, um der ehemals beliebten Veranstaltung wieder zu mehr Glanz zu verhelfen. Das ehemalige beliebte Familienfest sei zu einer kommerziellen Farce verkommen, die Justiz entmündige die Eltern und vor allem sei dies alles eine Beleidigung für diejenigen, die durch das jährliche Fest die deutschen Wurzeln und die damit verbundenen Traditionen in der vor gut 60 Jahren kolonisierten Region bewahren wollten. Das Oktoberfest in Marechal Cândido Rondon müsse selbst wieder zu den Anfängen zurückfinden. Es müsse ein jährliches Familienfest sein, welches einen Einblick in die gemeinsame Vergangenheit gewähre, welche sonst nach und nach verblasse.