Fast 100 Tote: Endlose Regenfälle stürzen Rio de Janeiro ins Chaos

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Datum: 06. April 2010
Uhrzeit: 17:06 Uhr
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Autor: Dietmar Lang
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Der Himmel über Rio de Janeiro kommt nicht zur Ruhe. Nachdem es in der Nacht zum Dienstag mehr als doppelt soviel geregnet hatte wie normalerweise im ganzen Monat, kam es am Dienstagnachmittag in der Millionenmetropole unter dem Zuckerhut erneut zum sintflutartigen Regenfällen. Die Flüsse und Seen der Region sind bereits über die Ufer getreten, nun werden weitere katastrophale Überschwemmungen befürchtet. Insgesamt 96 Menschen kamen im Bundesstaat Rio de Janeiro durch das Unwetter bislang ums Leben, die meisten ertranken in ihren Fahrzeugen oder starben unter Erd- und Geröllmassen, die ihre Häuser verschütteten.

In weiten Teilen von Rio und in den angrenzenden Städten und Gemeinden war das öffentliche Leben fast vollständig zum Erliegen gekommen. Schulen und Kindergärten wurden geschlossen, Behörden arbeiteten gar nicht oder nur stark eingeschränkt. Die Bevölkerung wurde aufgrund überschwemmter oder blockierter Strassen und dem eingeschränkten Bus- und Bahnverkehr aufgefordert, zu Hause zu bleiben. Mindestens sieben der zahlreichen Tunnel der Stadt bleiben weiterhin geschlossen, weite Umwege sind erforderlich. Bürgermeister Eduardo Paes sprach vom „absoluten Chaos“ in seiner Stadt, welche die schlimmsten Regenfälle seit 44 Jahren erlebt. 35 Todesopfer sind dort bereits zu beklagen.

In einigen Teilen der Samba-Metropole war zudem am Dienstag die Strom- und Wasserversorgung zusammengebrochen, vielerorts funktionierte auch kein Telefon, Internet oder Kabel-TV. Besonders in den Favelas der Stadt stehen die Menschen weiterhin vor einer bitteren Entscheidung: ihre Häuser wegen drohender Erdrutsche zu verlassen oder auszuharren, damit am Ende nicht alles Hab und Gut von Kriminellen gestohlen und geplündert wird. Wie fast immer bei solchen Naturkatastrophen sind die armen Bevölkerungsschichten daher am stärksten betroffen. Viele Favelas sind an den Hügeln der Stadt angesiedelt, hier kommt es am ehesten zu Erdrutschen, denen die einfachen Häuschen keinesfalls standhalten können. Alleine im Stadtteil Santa Tereza fanden so am frühen Dienstagmorgen bereits zwölf Menschen den Tod.

Wie der Zivilschutz am späten Nachmittag mitteilte, konnten fast 400 Menschen im Bundesstaat in letzter Minute vor Wasser- und Erdmassen gerettet werden. Viele Familien haben dabei jedoch sämtliches Hab und Gut verloren und wurden ebenso wie die Bewohner von akuten Risikogebieten in Notunterkünfte von Polizei, Militär sowie in Schulen und Krankenhäusern untergebracht. Der Gouverneur des Bundesstaates Rio de Janeiro, Sergio Cabral, hat in einer ersten Stellungnahme die hohe Opferzahl bedauert aber auch darauf hingewiesen, dass die durch Erdrutsche getöteten Menschen in Risikozonen gelebt hätten. Auch Staatspräsident Luiz Inácio Lula da Silva merkte an, dass vor allem die „irreguläre Besetzung“ der Flächen Schuld an der Katastrophe sei. Er wolle gemeinsam mit der Regierung von Rio de Janeiro im Rahmen des Wachstumsprogramms Verbesserungen im Bereich der Entwässerung und des Wasserablaufs sorgen. Die Favelas an den Hügeln in Rio de Janeiro wurden vor Jahrzehnten illegal errichtet und werden bis heute nur sehr langsam urbanisiert.

Auch auf der anderen Seite der Guanabara-Bucht in Niteroí herrschte Chaos. Schlammige Wassermassen rollten durch die Strassen, mehrere Stadtteile waren stundenlang ohne Strom. Dort und in den angrenzenden Städten fanden nach letzten Meldungen 49 Menschen den Tod. Die Verbindungsbrücke nach Rio wurde am Vormittag aus Sicherheitsgründen gesperrt, um die Mittagszeit jedoch wieder eingeschränkt für den Verkehr freigegeben. In der Baixanda Fluminense, einer im Hinterland von Rio de Janeiro gelegenen Tiefebene, hiess es ebenfalls Land unter. Die Flüssen konnten bereits nach kurzer Zeit die Wassermassen nicht mehr aufnehmen und traten über die Ufer, auch zahlreiche Verbindungsstrassen wurden durch Erdrutsche und Gerölllawinen unterbrochen.

Die Menschen in der vor allem bei Touristen beliebten Metropole unter dem Zuckerhut blickten daher voller Angst der Nacht zum Mittwoch entgegen. Eine Wetterbesserung ist derzeit nicht in Sicht, bis zum Ende der Woche soll es weiter regnen – weitere Erdrutsche werden befürchtet. Die Zahl der Toten wird zudem vermutlich weiter steigen, Dutzende von Menschen werden laut jüngsten Angaben des Rettungskräfte noch vermisst.

Foto: Screenshot Rede Globo

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