Nach den ergiebigen Regengüssen vom Vortag blickten die Verantwortlichen in der Nacht zum Sonntag (2.) noch genauer in den Himmel über der Millionenmetropole São Paulo. Im dortigen Sambódromo do Anhembi standen ab etwa 22:30 Uhr Ortszeit weitere sieben Paraden der Spezialgruppe auf dem Programm. Teilnehmer und Zuschauer hatten Glück: als sich die Tore hinter der letzten Sambaschule schlossen und die Morgendämmerung längst den Himmel der Paradestrecke erhellte, hatte es ausser Konfetti keinen Tropfen geregnet. Und so wie das Wetter die ersten sieben Paraden von Freitag auf Samstag bestimmt hatte, war es in der vergangenen Nacht das Idol einer ganzen Nation: Fussball-Legende Ronaldo!
Diesem galt eine Hommage der Sambaschule „Gaviões da Fiel“, die nach Pérola Negra als zweite Schule der Nacht die Paradestrecke eroberte. Nachdem die zahlreichen Motivwagen und Kostümgruppen durch das Leben des Ausnahmefussballers geführt hatten, begrüßte „O Fenômeno“ die Zuschauer auf der letzten Allegorie höchstpersönlich. Dabei sang er nicht nur den für ihn komponierten Samba-Enredo mit, er wagte auch in einem goldfarbenen Anzug zahlreiche Sambaschritte. „Es war Wahnsinn, ich bin heiser vom ganzen Singen. Das tollste war die Reaktion des Publikums. Ich habe so etwas noch nicht erlebt. Es war sehr aufregend, mit meiner Familie an der Seite hier zu defilieren“ so R9 im Anschluss.
Die TV-Bilder des zu Tränen gerührten Ronaldo hoch oben auf dem Motivwagen vor unzähligen johlenden Fans wurden jedoch schon kurz darauf durch neue Leidenschaft und viel nackter Haut aus dem Gedächtnis vertrieben. Die Präsentationen von Mocidade Alegre, Nenê da Vila Matilde, Águia de Ouro, Ímperio de Casa Verde und Academicos do Tatuapé waren ebenfalls ausgefallen und imposant, auch wenn sie nicht unbedingt mit einem Stargast aufwarten konnten.
Nun haben es die Wertungsrichter schwer, aus den insgesamt 14 Schulen den Sieger zu ermitteln. Ihm winken Ruhm, Ehre und eine große mediale Aufmerksamkeit. Bekanntgegeben wird er jedoch erst am kommenden Dienstagnachmittag Ortszeit. Und dann zittern auch alle Vereine, die nicht ganz so perfekt waren, um den Klassenerhalt. Die alljährlichen Sambaparaden sind eben ein knallharter Wettbewerb mit strahlenden Siegern und am Boden zerstörten Verlierern.
In der kommenden Nacht stellen sich in São Paulo aber erst einmal die Schulen der Aufsteigergruppe dem Publikum. Die Welt dürfte jedoch mehr den Geschehnissen in Rio de Janeiro und dem Höhepunkt im Carnaval do Brasil entgegenfiebern. In dem live in 116 Länder übertragenen Spektakel vor 70.000 begeisterten Zuschauern im Sambódromo Marquês de Sapucaí präsentieren sich in der Nacht zum Rosenmontag die ersten sechs der zwölf Sambaschulen in der Spezialgruppe unter dem Zuckerhut.