Was macht man am Besten am Nachmittag des zweiten Tages? Man könnte sich an den hauseigenen Pool der Pousada legen, kaltes Bier oder Caipirinhas geniessen und die Natur einfach einmal Natur sein lassen. Aber nicht mit „Seu Ralf“, unserem Reiseführer.
Der hatte nämlich schon den nächsten Programmpunkt fest im Visier und so hiess es gegen 15:30 Uhr Abmarsch. Mit dem VW-Kombi fuhren wir zu einem Fluss, der in der Regenzeit zu einem gigantischen See anschwillt und daher ein beliebtes Ausflugsziel für die Touristen darstellt. Mit einem komfortablen Boot fuhren wir eine grosse Runde über das Gewässer und steuerten zuerst die „Affeninsel“ an. Leider hatten wir Pech, denn es liess sich keiner der putzigen Baumbewohner blicken.
Also wieder hinaus auf den See. Inmitten der spiegelglatten Oberfläche liess unser „Kapitän“ den Aussenborder verstummen und reichte uns Angelruten und rohes Fleisch. Ich habe nie gesehen, wie man so einfach und so schnell Fische aus dem Wasser holen kann. Und zwar Fische einer besonderen Art. Goldgelb, mit zwei Reihen extrem scharfer Zähne und einer Gier nach frischem Fleisch, dass man schon ein wenig Respekt vor ihnen haben sollte: Piranhas.
Oftmals waren die gulaschgrossen Stücke Fleisch binnen Sekunden abgefressen, ohne dass ein Exemplar der gefrässigen Seebewohner dem Haken Beachtung geschenkt hätte. Doch genauso oft zappelte bereits kurz darauf ein mehr oder minder grosses Exemplar am Ende der Angelschnur. Handtellergrosse Piranhas wurden im Minutentakt aus dem Wasser geholt. Meist hatten wir Erbarmen und liessen sie wieder zurück ins Wasser gleiten. Doch manch schönes Exemplar haben wir aufgehoben, um sie dann am nächsten Tag an die Kaimane hier in den letzten Pfützen des Schwemmlandes zu verfüttern.
Beeindruckt von der Natur – auf der Rückfahrt über den See konnten wir einen atemberaubenden Sonnenuntergang geniessen – kamen wir pünktlich zum Abendessen in der Pousada an. Doch an Feierabend war abermals nicht zu denken. Frisch gestärkt ging es dann mit dem Auto und einem starken Suchscheinwerfer hinaus in die Finsternis. Eine Nachtsafari sozusagen. Allerlei Unheimliches begegnete uns auf der langsamen Fahrt durch die Wiesen und Wälder. Die ganz grosse Überraschung blieb leider aus, die Tiere hatten wohl ihren freien Tag. Spektakulär jedoch waren Dutzende Augenpaare von Kaimanen, die das Licht des Suchscheinwerfers reflektierten, obwohl sich der Lichtkegel schon vorher in der Dunkelheit verlor. Wir alle kamen uns danach auf dem Rest unseres Weges ständig beobachtet vor. Wie viele Augen stumm dem seltsamen Gefährt in der Finsternis folgten, wissen wir natürlich nicht. Doch so manches nachtaktive Tier wird sich schon überlegt haben, ob die weisse Blechbüchse etwas Fressbares enthält.
Und so endete der zweite Tag auf der Pousada Piuval im nördlichen Pantanal. Und abermals hatten wir viel Neues erlebt und unzählige Eindrücke gesammelt. Ich bin wirklich gespannt, was uns in den kommenden Tagen noch alles erwartet.