Experten gehen davon aus, dass den Passagieren von Todesflug AF 447 möglicherweise bis kurz vor dem Aufprall nicht bewusst war, in den Atlantik zu stürzen. Laut einer Reportage der brasilianischen Tageszeitung Folha S. Paulo könnten Crew und Passagiere unter „räumlicher Desorientierung“ gelitten haben. Der Zustand wird durch den Gleichgewichtssinn im Innenohr gesteuert und tritt vor allem beim Fehlen eines sichtbaren Horizontes aus.
Nach den jüngsten Erkenntnissen der französischen Unfalluntersuchungsbehörde BEA ist die Maschine ohne merkliche Beschleunigung und hochgezogener Nase innerhalb von dreieinhalb Minuten von der normalen Reiseflughöhe (11.600 Meter) bis auf den Meeresspiegel abgesackt. Die Aufprallgeschwindigkeit auf der Wasseroberfläche hat lediglich 200 km/h betragen. Zudem flog der Airbus A 330 durch pechschwarze Nacht, so dass die Piloten rein auf die Instrumente angewiesen waren, die zugleich verwirrende Daten lieferten.
„Ich verstehe gar nichts“ soll nach Auswertung der Stimmrekorder einer der Piloten kurz vor dem Aufprall gesagt haben. Auch die Tatsache, dass der Pilot während des Absturzes ins Cockpit zurückkehrte, deutete darauf hin, dass das Flugzeug nahezu stabil in der Luft lag. Erst in der letzten Minute und damit Sekunden vor dem Aufprall vollzog die Maschine eine 260 Grad-Kurve, und erst diese Aktion könnte die vermutlich in grosser Anzahl schlafenden Passagiere aufgeschreckt haben.
Die niedrige vertikale Geschwindigkeit in Kombination mit der horizontalen Geschwindigkeit hat laut den Experten bei den Passagieren vermutlich keinerlei Druck des Körpers auf die Rückenlehne ausgelöst, so dass kein Gefühl des „Fallens“ eingetreten sein dürfte. Die Experten schliessen zudem nicht aus, dass durch die hochgezogene Nase bei den Passagieren sogar der Eindruck eines „Steigflugs“ erweckt wurde.
Erst am vergangenen Freitag hatte die BEA nähere Details zu Todesflug AF 447 bekannt gegeben. Zuvor waren die Anfang Mai geborgenen Black-Boxen ausgewertet worden. Demnach sei die Maschine auf dem Weg von Rio de Janeiro in Brasilien nach Paris in Frankreich in eine Schlechtwetterfront geraten. Ein Co-Pilot habe die Maschine leicht nach links gezogen um schweren Turbulenzen auszuweichen. Nachdem widersprüchliche Geschwindigkeitsdaten auf den Monitoren erschienen und sich der Autopilot ausgeschaltet hatte, veranlasste einer der Piloten einen leichten Steigflug. Dabei könnte es zu einem Strömungsabriss gekommen sein, so dass die Maschine in einen Trudelflug geriet und abstürzte. Die endgültige und offizielle Unfallursache soll erst Ende Juni bekannt gegeben werden.