Gekaufte Ausweise, ungültige Stimmzettel, Einschüchterungen – die Liste der Manipulationsversuche bei der heutigen Präsidentschaftswahl in Paraguay ist lang. Vor wenigen Minuten teilte dies die NGO Transparencia Paraguay in einem Zwischenbericht mit. Viel Neues hatte der Bericht jedoch nicht aufzuweisen, die meisten Zwischenfälle wurden bereits von den Medien dokumentiert. In vielen Wahllokalen sind Kamerateams vor Ort, Liveschaltungen und Telefoninterviews informieren die Bevölkerung seit mittlerweile 6 Stunden kontinuierlich über das aktuelle Geschehen vor Ort.
Bereits am frühen Morgen wurden mehrere Personen beim Versuch verhaftet, von anderen Wählern Identitätsausweise zu kaufen um nochmals die Stimme abgeben zu können. Die Täter zahlen dabei für einen Ausweis rund 15 Euro – viel Geld für eine arme Familie in Paraguay. An anderen Stellen wurden Stimmzettel angenommen, ohne die Wähler in den entsprechenden Listen unterschreiben zu lassen. Bei der Auszählung werden diese dann ungültig. Desweiteren wurde festgestellt, dass viele Wähler nach Sichtung der langen Schlangen wieder nach Hause gingen, ohne ihre Stimme abgegeben zu haben. Ob hier Absicht oder blosse Unwissenheit und Unerfahrenheit seitens der Wahlhelfer in Bezug auf die Wahlfehler und Verzögerungen vorlag, ist bislang nicht bekannt.
Nach letzten Umfragen liegt die Kandidatin der ANR, Blanca Ovelar, rund 5 Prozent hinter ihrem Konkurrenten, dem Ex-Bischof Fernando Lugo von der APC. Dieser könnte nach 61 Jahren ununterbrochener Colorado-Regierung nun einen Machtwechsel im seit 1989 demokratischen Paraguay einläuten. Experten gehen jedoch inzwischen davon aus, dass es unabhängig vom Wahlausgang in der kommenden Nacht zu Zusammenstössen zwischen Anhängern der unterschiedlichen Parteien kommen wird. 12.000 Polizisten verrichten derzeit landesweit in den Wahllokalen ihren Dienst, um einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten. Und weitere Spezialeinheiten wurden für den Ernstfall in Bereitschaft versetzt.
Dies bestätigt auch die Vorgehensweise der Polizeikräfte, die mit mehreren dutzend Männern bewaffnet mit Helmen, Schildern und Knüppeln vor einem Wahllokal eine Menschenmenge auseinander trieb. Und auch vor der obersten Wahlbehörde des Landes sind Sicherheitskräfte aufgezogen, mehrere Wasserwerfer wurden postiert und der Verkehr auf der stark frequentierten Strasse unterbunden. Bei vielen scheinen die Nerven blank zu liegen, auch wenn die Fernsehbilder noch einen geordneten Ablauf zeigen. Jeder kleine Verstoss, wie das gemeinsame Betreten einer Wahlkabine wird mittlerweile angezeigt und sorgt für Unruhe und Diskussionen. Selbst die Parteien gingen heute morgen schon in die Offensive und kündigten rechtliche Massnahmen gegen Tageszeitungen und andere Parteien an.
Am auffälligsten sind derzeit jedoch die vermutlich von oben befohlenen Einschüchterungsversuche seitens der Anhänger der Regierungspartei Colorado (ANR). Gut organisierte Kommandogruppen haben sich in einigen Städten und Wahlkreisen vor den Eingängen derjenigen Wahllokale postiert, bei denen nur unzureichende Polizeipräsenz vorhanden ist. Wähler mussten teilweise von Anhängern der Oppositionsparteien bis zu den Wahlurnen begleitet werden. Die Bedrohungen sind jedoch nur eine Fortsetzung der Übergriffe in den letzten Wochen, bei denen es in der Hauptstadt Asunción zu gewaltsamen Ausschreitungen kam. Schlägertrupps, die eindeutig der ANR zuzuordnen waren, hatten dabei Sympathisanten anderer Parteien auf Kundgebungen angegriffen. Aber auch bei Autos mit „falschem“ Aufklebern wurden Scheiben eingeschlagen oder Reifen zerstochen.