Brasiliens Top-Gymnastin Angélica Kvieczynski hat die an sich selbst gestellten Erwartungen bei der aktuellen Weltmeisterschaft in der Rhythmischen Sportgymnastik in Stuttgart bislang keineswegs erfüllen können. Nach zwei von vier Geräten liegt die 24-jährige abgeschlagen auf Rang 48 im Gesamtklassement noch hinter ihrer Mannschaftskameradin und langjährigen Konkurrentin Natalia Gaudio. Dementsprechend gedrückt ist die Stimmung bei der sechsfachen Medaillengewinnerin bei panamerikanischen Spielen.
Kvieczynski vereint nach den Präsentationen mit Reifen und Ball derzeit 30.533 Punkte auf sich und belegt Rang 48. Mit dem Reifen erzielte sie 15.333 Punkte, mit dem Ball 15.200 Punkte. Gaudio liegt mit 30.558 Punkten und Rang 47 zwar nur hauchdünn vor der Rekord-Nationalmeisterin, hat jedoch im Vergleich zu früheren Turnieren einen erheblichen Leistungsschub vollzogen. Bei beiden Geräten hat sie vor allem den Schwierigkeitsgrad gegenüber den panamerikanischen Spielen im Juli deutlich gesteigert. So erzielte sie nun in Stuttgart mit dem Reifen 15.500 Punkte, mit dem Ball war es 15.058 Punkte.
Die unerwartete Leistungssteigerung setzt Kvieczynski nun zusätzlich unter Druck. Die aus dem Hinterland des Bundesstaats Paraná stammende Gymnastin hatte sich selbst unter den besten 23 der Welt als Ziel gesetzt. Dadurch wollte sie sich die Chance auf eine direkte Olympia-Qualifikation bewahren. Nach zwei von vier Übungen dürfte dieses Ziel jedoch in weite Ferne gerückt sein. Brasilien hat zwar bei Olympia 2016 als Gastgeber einen Startplatz in der Rhythmischen Sportgymnastik sicher, doch dafür muss Kvieczynski auch vom nationalen Verband nominiert werden. Sollte Gaudio bei der WM deutlich besser abschneiden, steht diese Nominierung durchaus auf der Kippe.
„Ich muss dafür die beste Brasilianerin sein“ erklärte Kvieczynski am Dienstag (8.) nach ihrer enttäuschenden Präsentation mit dem Ball vor der Porsche-Arena in Stuttgart. „Ich weiß einfach nicht was los ist, wir haben doch so hart trainiert“ fügte sie mit zitternder Stimme hinzu. Auch Trainerin Anita Klemann, sonst energisch und abgeklärt, suchte nach Worten. „Wir sind gar nicht glücklich, wir haben mehr erwartet. Ich hoffe, dass die kommenden Tage besser werden“, so die knappe Erklärung für die zahlreichen kleinen Patzer ihrer Athletin, die am Ende wertvolle Punkte und Platzierungen im Klassement kosteten.
Die beiden kommenden Präsentationen mit Keulen und Band könnten damit durchaus über die sportliche Zukunft Kvieczynskis entscheiden. Die Teilnahme an der Heim-Olympiade unter dem Zuckerhut sollte der Höhepunkt ihrer Karriere werden. Zahlreiche Verletzungen und damit verbundene Zwangspausen kündigen schon seit mehreren Jahren ein mögliches Ende der sportlichen Laufbahn an. Trotz den Warnsignalen des Körpers kämpfte sich Kvieczynski jedoch immer wieder zurück an die Spitze. Nun jedoch ist es keine Sache der Rehabilitation sondern eine Herausforderin aus dem eigenen Lager. Die Nachfahrin polnischer Einwanderer kämpft am Mittwoch oder Donnerstag somit nicht mehr gegen die Konkurrenz aus 56 Ländern, die Matte in Stuttgart wird jenseits aller Medaillentscheidungen auch Schauplatz eines nationalen Duells.