Die designierte brasilianische Staatspräsidentin Dilma Rousseff (PT) hatte im Wahlkampf vor allem eines versprochen: die angestoßenen Programme ihres Vorgängers Luiz Inácio Lula da Silva fortzuführen und auszubauen. In den letzten Tagen vor der Stichwahl wiederholten Flyer, TV- und Radiosports aber auch die Kandidatin unermüdlich, dass alleinig die Wahl der 62-jährigen in das höchste Staatsamt diese Kontinuität garantieren könne.
Vor allem die Ausweitung der Sozialprogramme „Bolsa Família“, eine Art Sozialhilfe für die Ärmsten der Armen, „Minha Casa, Minha Vida“ mit günstigen Häuschen oder Sozialwohnungen und „ProUni“, ein Programm welches jedem Schüler am Ende unabhängig vom finanziellen Hintergrund den Besuch einer Universität ermöglichen soll, standen im Mittelpunkt der Wahlversprechen.
Besonders in den deutlich ärmeren und schlechter entwickelten Bundesstaaten im Nordosten des Landes brachte dies der Sozialistin von der Arbeiterpartei PT viele Wählerstimmen. In Bahia stimmten über 80 Prozent für Rousseff, in Maranhão waren es knapp 79 Prozent. Viel hatte dies natürlich auch mit der Popularität ihres Mentors Lula zu tun, dessen Politik nach Umfragen zuletzt vier von fünf Brasilianern als „gut“ bewerteten.
Im Süden hingegen betrachteten die Wähler den Wahlkampf kritischer. Bis auf den Hauptstadtdistrikt Brasília sowie Minas Gerais und Rio de Janeiro gingen gerade im Süden, Südosten und Mittelwesten sämtliche Bundesstaaten an den konservativen Sozialdemokraten José Serra (PSDB). Trotz allem erreichte die ehemalige Ministerin im Präsidialamt in den drei Großregionen insgesamt betrachtet ebenfalls die absolute Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen.
Das brasilien Magazin hat einmal in zehn Bereichen die wichtigsten 40 Wahlversprechen der zukünftigen Präsidentin der Föderativen Republik Brasilien aufgelistet.
- Ausrottung der extremen Armut bis 2014 (nach den letzten verfügbaren Daten von 2008 befanden sich damals 10,5% aller Brasilianer in dieser Situation, die Einkommensschwelle liegt bei 1/4 des gesetzlichen Mindestlohnes)
- Erhöhung des Sozialprogramms „Bolsa Família“ (Erweiterung des Zugangs der derzeit 12,7 Mio. begünstigten Familien zu anderen öffentlichen Hilfsprogrammen)
- Sicherung des Zuganges zu Trinkwasser für alle Familien in extremer Armut
- Ausrottung der Kinderarbeit (laut der Statistikbehörde IBGE arbeiten 5% aller Kinder des Landes zwischen 5 und 14 Jahren, rund 1,6 von 33 Mio.)
- Bau von technischen Hochschulen in Städten mit mehr als 50.000 Einwohnern und in regionalen Ballungszentren
- Bau von 6.000 Kindergärten und Vorschulen im ganzen Land
- Investition von 7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes in Bildung (2007 waren es nach Regierungsangaben 5,1%)
- Adaptierung des Modells „ProUni“ auf die Mittelstufe (Finanzierung des Besuchs von Privatschulen für begabte Jugendliche, die derzeit öffentliche Schulen besuchen)
- Einrichtung von 500 24h-Notaufnahmen (laut Gesundheitsministerium wurden von den 500 von Lula versprochenen Einheiten bislang erst 200 realisiert)
- Einführung von Medikamenten gegen Diabetes und Bluthochdruck in die Liste der kostenlosen Arzneimittel der öffentlichen Gesundheitsversorgung
- Ausbau der Programme „lachendes Brasilien“ (Aktionen der Zahngesundheit), der Familiengesundheitsvorsorge und der Rettungsdienste
- Erschaffung einer Identitätskarte für die Gesundheitsposten SUS (wurde bereits unter der Regierung Cardoso geplant, jedoch nie umgesetzt. Karte soll Patientendaten enthalten und so die Versorgung verbessern)
- Landesweiter Ausbau des Modells der Einheiten der Friedenspolizei UPP (Programm ursprünglich von der Regierung von Rio de Janeiro eingeführt zur Kontrolle des Drogenhandels und der Sicherung der Favelas)
- Ausbau der Progamme „Pronasci“ (Nationales Programm für Öffentliche Sicherheit), „Territórios da Paz“ und „Bolsa-Formação“
- Kauf von zehn unbemannten Flugdrohnen zur Sicherung der Grenzen
- Einrichtung von 2.883 Dienststellen der Bürgerpolizei
- Bewahrung der drei Säulen der Wirtschaftspolitik (niedrige Inflation, flexible Wechselkurse und primäre Haushaltsüberschüsse)
- Entwicklung von Aktionen zur Zinsreduzierung (darin enthalten die Reduktion öffentlicher Schulden auf 30% der Bruttoinlandsproduktes – heute liegen sie etwa bei 45%)
- Förderung von Steuerentlastungen (Reduzierung der Steuern auf Investitionen, Lohn- und Gehaltszahlungen, Arzneimittel, Strom, Wasser und Öffentlicher Nahverkehr)
- Errichtung eines Ministerium für Mikro- und Klein-Unternehmen
- Reduzierung der Abholzung um 80 Prozent im Amazonas und um 40 Prozent im Cerrado (angekündigte Ziele bei der Klimakonferenz 2009 in Kopenhagen)
- Betonung der Produktion von erneuerbarer Energie und Biokraftstoffen
- Verringerung der Treibhausgase um 39 Prozent bis 2020 (ebenfalls angekündigt 2009 in Kopenhagen)
- Investitionen im Bereich der Wasserkraftwerke des Landes
- Einführung der „Vale-Cultura“ (Zuschuss im Gegenwert von 50 R$ für Arbeitnehmer mit einem Einkommen von bis zu fünf Mindestlöhnen für Aktivitäten im Bereich Kultur)
- Erhöhung der Kreditlinien der brasilianischen Entwicklungsbank BNDES für Kulturmaßnahmen
- Intensivierung der Dezentralisierung von Kulturproduktionen im Land
- Verstärkung das nationalen Systems für Kultur
- Erhöhung der Ziele im Programm „Mina Casa, Minha Vida“ auf 2 Millionen Häuser (bislang sind nach offiziellen Zahlen 681.000 Häuser errichtet worden, weitere 280.000 sollen bis Ende 2010 den neuen Bewohnern übergeben werden)
- Integration von Möbeln und Elektrogeräten in das Sozialprogramm „Mina Casa, Minha Vida“
- Investition von 12 Mrd. Reais über das Programm zur Beschleunigung der Wirtschaft PAC in Entwässerungssysteme und Sicherung von Abhängen
- Investition von 34 Mrd. Reais in Baumassnahmen zu besseren Wasser- und Abwasserversorgung
- Sanierung oder Neuerrichtung von Sportanlagen in 10.000 öffentlichen Schulen
- Bau von 800 Sport- und Freizeitstätten im ganzen Land
- Erhöhung der finanziellen Beihilfen im Leistungssport (Bolsa Atleta)
- Aktionen zur Aufwertung des Berufs des Sportlehrers
- Vervierfachung der Magister und Doktoren im Land
- Förderung der digitalen Vernetzung durch den landesweiten Ausbau von Breitband-Internet
- Erhöhung der Registrierung von Patenten
- Bevorzugung von Forschungen (vornehmlich in den Bereichen Biotechnologie, Nanotechnologie, Informationstechnologie und bei der Entwicklung von Medikamenten)
Foto: Roberto Stuckert Filho