Indianer-Vertreibung

Datum: 11. Februar 2006
Uhrzeit: 17:07 Uhr
Ressorts: Panorama
Leserecho: 4 Kommentare
Autor: Dietmar Lang
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Auf verschiedenen Seiten im Internet wurde in den letzten Tagen eine Meldung verbreitet, in der es um die Vertreibung von Indianern im Bundestaat Espiritu Santo geht.

Die Seite http://www.regenwald.org schreibt dazu:

In Brasilien räumen Polizeitrupps brutal zwei Indianerdörfer und verletzen 13 Menschen

Am 20. Januar 2006 kehrten in Brasilien wieder Verhältnisse zurück, wie sie zu Zeiten der Militärdiktatur 1964 bis 1985 geherrscht hatten, als Menschenrechte systematisch verletzt wurden. 120 Polizisten überfielen im Bundesstaat Espirito Santo mit brutaler Gewalt Siedlungen der indigenen Völker Tupinikim und Guarani, um sie von einem 11.000 Hektar großen Grundstück zu vertreiben. Die Polizei setzte Gummigeschosse und Tränengas ein und jagte die Opfer eine Stunde lang per Hubschrauber. Bei dem Angriff wurden mindestens 13 Tupinikim und Guarani teils schwer verletzt und Häuser zerstört.
Das Land hatten die Indigenen im Sommer 2005 friedlich besetzt, nachdem der Zellstoff-Riese Aracruz Celulose es fast 40 Jahre lang illegal genutzt hatte. Obwohl nach Studien der staatlichen Indianerbehörde FUNAI die dort beheimateten Tupinikim und Guarani die rechtmäßigen Besitzer des Landes sind, hatte Aracruz sich rigoros geweigert, das Gebiet an die Indianer zurück zu geben. Aracruz besitzt nach eigenen Angaben rund 107.000 Hektar Eukalyptusplantagen in Espirito Santo.Vor allem in den 70er Jahren hat der Zellstoffkonzern Küstenregenwälder gerodet, um genug Land für Monokulturen zu bekommen. Der Rückfall in die Zeiten staatlicher Willkür und polizeilicher Repressionen ist umso schlimmer, als in Brasilien die Verfassung allen Bürgern die Menschenrechte garantiert und das Land heute von einem Ex-Arbeiterführer regiert wird, der während der Militärdiktatur selbst verfolgt wurde: Präsident Luíz Inácio Lula da Silva.[..]

Die portugiesische Variante, veröffentlicht im Menschenrechts-Forum kann man HIER lesen!

Doch was ist in der braslianischen Presse darüber zu lesen? Folho Online schrieb bereits am 20.01.2006 um 22:03 h in ihrer Online-Ausgabe von 40 Beamten gegen 200 Indianer, die u.a. mit Steinschleudern auf die Polizisten schossen. Daraufhin setzte die Polizei Tränengas und Gummigeschosse ein. Dabei wären 9 Indianer verletzt worden. Ansonsten hüllen sich die nationalen Nachrichtenticker in Schweigen. Wäre interessant zu wissen, ob irgendjemand hier in Brasilien etwas darüber in Zeitung und TV davon mitbekommen hat. Meiner Frau war dieses Ereignis ebenfalls unbekannt.

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Kommentarbereich

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  1. 1
    Hebinho

    Hier im Lokalfernsehen (Rede Record aus Itapua bei Salvador) wurde mehrfach über diese sich nun schon über Jahre hinziehenden Streitereien berichtet.
    Das liegt ja auch nicht allzuweit von hier entfernt (rund 250 km) und ich hatte schon vor 2 Jahren Material zu diesem Thema gesammelt. Ein wichtiges Dokument ist eine Untersuchung über die Auswirkungen der Verwendung der für die GUARANI und TUPINKIM im dortigen Gebiet enorm wichtigen Ressource Wasser!
    Wer Lust hat (ist leider portugiesisch) kann sich das Dokument herunterladen.
    http://www.car-show.de/relatorioagb.pdf

  2. 2
    digdigger

    Du solltest besser Verschwendung schreiben. Die gerodeten Flächen werden ja meist zur Anpflanzung von Eukalyptusbäumen genutzt. Und dieser schnellwachsende Rohstoff verschlingt immens Wasser.

  3. 3
    Hebinho

    Du wirst lachen, aber die Eukalyptusplantagen brauchen gar nicht so viel Wasser, wie manche Leute meinen. Der Eukalyptusbaum ist im Vergleich zu anderen Bäumen recht genügsam. Das Problem beim Wasser sind tatsächlich die drei Fabriken, die Aracruz südlich von Linhares hat und derentwegen sogar ein Kanal zum Rio Doce gebaut werden musste, weil der dortige Fluss einfach nicht ausreicht, um die gewaltigen Wassermengen zu liefern, die bei der Umwandlung Bäume -> Zellstoff benötigt werden.
    Der Konflikt geht dort schon bald ins 40. Jahr und ist eines der vielen traurigen Beispiele dafür, wie von multinationalen Konzernen gesponsorte Firmen von der brasilianischen Regierung hoffiert werden, ganz gleich, wer in Brasilia das Ruder führt!

  4. 4
    Hebinho

    Kleiner Nachtrag:
    Das Protokoll (leider nur ein Fax vom Fax) der polizeilichen „Wiederinbesitznahme durch Aracruz“ gibt es unter:
    http://www.car-show.de/certidao_acao_possessoria.pdf

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