Der 6-jährige João Hélio Fernandes sass angeschnallt auf der Rückbank in einem Corsa, als seine Familie Mittwoch Nacht auf offener Strasse in Rio de Janeiro in Brasilien von Banditen überfallen wurde. Es soll sich um 4 Täter gehandelt haben. Sie hatten es auf das Auto abgesehen und zwangen die Mutter und seine 13 Jahre alte Schwester Aline auszusteigen. Dabei bedrohte einer der Räuber die Opfer mit einer Spielzeugpistole. Während die Mutter noch versuchte, ihren Sohn ebenfalls aus dem Auto zu holen, schlugen die Täter die Tür zu und gaben Gas. João hing jedoch noch neben dem Auto im Sicherheitsgurt fest.
Über eine Viertelstunde – 14 Strassen – 4 Stadtteile – knapp 7 Kilometer weit – und ungeachtet der Schreie von Passanten und Motorräder die ihnen folgten – schleiften die Täter das Kind über den Asphalt. Als sie endlich anhielten und zu Fuss flüchteten, war der Junge bereits tot.
Eine anonyme Anzeige – es wurde eine Belohnung von 2.000 R$ (715 Euro) ausgeschrieben, die im Laufe des Tages dann verdoppelt wurde – führte die Polizei schnell zu den Tätern in der Favela „Morro da Serrinha“ im Stadtteil Mangueira zum Elternhaus von Diego Nascimento Silva, 18 Jahre. Dieser verriet seinen 2 Jahre jüngeren Komplizen. In diesem Zusammenhang wurden dann drei Verdächtige festgenommen. Allerdings stellten sich nur Diego und der Jugendliche E. als Täter heraus. Ein 19-jähriger wurde, wie die Polizei inzwischen mitteilte, nur als Zeuge vernommen und befindet sich wieder auf freiem Fuss. Der 18-jährige Diego kam ins berüchtigte Gefängnis Bangu, ihm drohen zwischen 20 und 30 Jahre Haft. Der 16-jährige, dessen Namen nicht veröffentlicht wurde, kam in eine Jugendhaftanstalt. Die Höchststrafe für ihn beträgt 3 Jahre. Die Fahnung nach den weiteren Tätern, unter anderem nach demjenigen, der das Fahrzeug gefahren haben soll, läuft auf Hochtouren.
Natürlich sind die Täter in der Favela auch der dortigen Drogengang bekannt. Und die Anführer derselbigen, die teilweise auch Kinder haben, kündigten nun an, dieses Verbrechen keinesfalls zu tolerieren. Die Täter hätten eindeutig gegen den Ehrenkodex verstossen. Daher werde derzeit intensiv die Exekution der Täter geplant.
Dies ist für die Favelas von Rio de Janeiro nichts ungewöhnliches. Denn die Macht der „Traficantes“ reicht weit bis in die Gefängnisse hinein. Sollten die Täter, die sich aus Sicherheitsgründen derzeit in Einzelhaft befinden, jemals mit anderen Gefangenen in Kontakt kommen, dürfte ihr Tod nun vorprogrammiert sein.
Der kleine João Hélio wurde inzwischen beigesetzt. Seine ältere Schwester – die zuerst dem flüchtenden Fahrzeug noch hinterhergerannt war – brach bei der Beerdigung zusammen: „Entschuldigung João. Ich konnte dich nicht retten. Ich liebe meinen Bruder. Gebt mir mein Baby zurück!“
Nachtrag 21.15h: Und wie sich zudem inzwischen herausstellte, standen die Täter zum Zeitpunkt des Überfalls nicht unter dem Einfluss von Alkohol oder Drogen! Vielmehr hätten sie, so ein Polizeisprecher, die Tat „eiskalt und berechnend“ durchgeführt.
Nachtrag 22.48h: Ein weiterer Verdächtiger, Carlos Eduardo, welcher das Auto gefahren haben soll und der Bruder des 16-jährigen ist, wurde heute abend festgenommen. Zeitgleich demonstrierten im Zentrum von Rio de Janeiro rund 100 Personen gegen die Gewalt in der Metropole unter dem Zuckerhut.