Der geologische Dienst Brasiliens warnt vor einer möglichen Jahrhundertflut im Amazonasbecken. Die hydrografische Situation der Flüsse Negro und Solimões könnte dem Norden Brasiliens in den kommenden Monaten das schlimmste Hochwasser seit 1953 bescheren. Damals wurde eine historische Rekordmarke registriert, riesige Flächen der Tiefebene wurden meterhoch überschwemmt.
Die Höchstwerte lagen im Katastrophenjahr Mitte des vergangenen Jahrhunderts bei 29,69cm. Für Juni 2009 werden mittlerweile 29,68cm prognostiziert. Der Juni ist auch der Monat mit den höchsten Wasserständen jährlich. Doch schon jetzt liegt der Pegel bei 28,10cm und damit 16cm über dem Wert vom April 1953. Normalerweise steigt das Wasser zu dieser Jahreszeit maximal 2cm täglich, alleine gestern waren es jedoch knapp 6cm.
300 Messstationen im westlichen Amazonasbecken bestätigen derzeit die schaurigen Prognosen. Genaue Vorhersagen sind bislang allerdings nicht möglich, die Wahrscheinlichkeit liegt momentan bei 70 Prozent. Ende April und damit 60 Tage vor den erwarteten Höchstständen liegt die Wahrscheinlichkeit bei 87 Prozent, Ende Mai können die Maximalwerte mit bis zu 95 Prozent Genauigkeit vorhergesagt werden. Für die Bewohner entlang der Flüsse und in den Städten im Amazonasbecken sind diese Vorhersagen lebenswichtig. Städte und Gemeinden in den betroffenen Bundesstaaten können sich so auf die Flut vorbereiten, Brücken vorbereiten, ihr Hab und Gut und natürlich sich selbst in Sicherheit bringen.
Zehntausende sind jedoch bereits jetzt von Überschwemmungen betroffen. In 19 Gemeinden des Bundesstaates Amazonas wurde der Notstand ausgerufen, vielerorts sind Dörfer von der Aussenwelt abgeschnitten. Seit Tagen sind Schulen geschlossen, Trinkwasser und Lebensmittel werden knapp. Tausende mussten ihre Häuser verlassen, sind notdürftig in Turnhallen oder bei Freunden und Verwandten untergebracht.
Zwischen den Flüssen Javari und Solimões heisst es bereits jetzt „Land unter“, die meisten Bauern der Gemeinde Benjamin Constant rund 1100 Kilometer westlich von Manaus haben ihre komplette Ernte verloren, viele stehen vor dem Bankrott. Auch in Barreirinha (rund 330km von Manaus entfernt) stehen verschiedene Stadtviertel inzwischen fast vollständig unter Wasser. Die für diese Jahreszeit ungewöhnliche Flut kam überraschend und droht jetzt sogar die städtische Schutzmauer zu durchbrechen – eine riesige Katastrophe bahnt sich an.
Auch aus Altamira im Süden des Bundesstaates Pará werden mittlerweile Überschwemmungen gemeldet. 15.000 Menschen sind dort von den durch massive Regenfälle verursachten Fluten betroffen, 700 Familien haben ihr zuhause verloren. Die brasilianische Umweltbehörde Ibama stellt inzwischen kostenlos Holz zur Verfügung, damit die Menschen ihre Häuser an einer sicheren Stelle wieder aufbauen können. Der Zivilschutz ist rund um die Uhr im Einsatz.
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