Nach 2002 ist in Rio de Janeiro erneut eine Dengue-Epidemie ausgebrochen. Alleine am gestrigen Donnerstag wurden in der Metropole unter dem Zuckerhut über 2.300 neue Krankheitsfälle bekannt. Vertreter der Stadt, des Bundesstaates und der brasilianischen Regierung wollen nun in Zusammenarbeit mit den Gesundheitsbehörden einen Notfallplan ausarbeiten.
Noch vor zwei Tagen sprachen die Verantwortlichen der Stadtverwaltung von Rio de Janeiro sowie der Regierung des Bundesstaates von einem lösbaren Problem. Zu diesem Zeitpunkt hatte der brasilianische Gesundheitsminister José Gomes Temporão bereits harte Worte für die massive Häufung der Fälle gefunden und auch Staatspräsident Luiz Inácio Lula da Silva drückte offiziell seine Besorgnis aus. Nach mindestens 49 Toten in den ersten 80 Tagen dieses Jahres und damit mehr als im gesamten Vorjahr stand bereits für viele das fest, was die Behörden erst am späten Donnerstagabend zugaben: In Rio de Janeiro grassiert abermals eine Dengue-Epidemie!
Schon seit Januar steigen die Zahlen der Erkrankungen in ungeahnte Höhen. In der vergangenen Woche wurden teilweise bis zu über 1.000 neue Fälle täglich registriert. Unweigerlich werden Erinnerungen an die letzte grosse Epidemie im Jahr 2002 wach. Damals wurden im Bundesstaat Rio de Janeiro bis Ende März offiziell 129.920 Fälle von Dengue-Fieber gemeldet, 47 Menschen starben. Dieser traurige Rekord an Todesfällen wurde in diesem Jahr schon übertroffen.
Offiziell sind nach neuesten Meldungen 49 Menschen der Viruserkrankung erlegen, die Zahl wird jedoch mit Sicherheit weiter steigen. Täglich werden die aktuellen Zahlen nach oben korrigiert, doch neben den gemeldeten und eindeutig indentifizierten Fällen gibt es eine enorme Dunkelziffer. Experten schätzen, dass die tatsächlichen Zahlen bis zu 30x höher liegen könnten. 35.000 Erkrankungen wurden bislang offiziell im Bundesstaat registriert, alleine in der Stadt Rio de Janeiro sind es derzeit über 25.000.
Wollte man vor zwei Tagen von einer Epidemie noch gar nichts wissen, da bis dato nur rund 60 Fälle auf 100.000 Einwohner kamen, so ruderten die Verantwortlichen nun massiv zurück. Laut der UN-Gesundheitsbehörde ist ein Gebiet ab 100 Fälle je 100.000 Einwohner epidemisch. Und dieser Wert ist nun kurz vor Ostern erreicht worden. Rechnet man die Dunkelziffern hinzu, so könnten in den kommenden Wochen Hunderte von Menschen der Viruserkrankung zum Opfer fallen.
Brasiliens Gesundheitsminister José Gomes Temporão machte inzwischen den Bürgermeister von Rio de Janeiro für die Explosion der Krankheitsfälle verantwortlich. Die Stadt würde zu wenig unternehmen um die Ausbreitung des Überträgermoskitos zu verhindern. Die Stechmücke mit Namen Aedes Aegypti legt ihre Eier in Brackwasser ab, wie z.B. in Zisternen, Autoreifen oder stillgelegten Kanäle – aber auch in verstopfte Regenrinnen oder Blumenuntersetzer im Vorgarten.
Nun will Rio de Janeiro mit verstärkten Massnahmen die Brutplätze des Moskitos zerstören. In der Baixada Fluminense, einer Tiefebene südwestlich von Rio de Janeiro wurden in den vergangenen Tagen mehrere tausend Kontrolleure auf Streife geschickt, die in den Gärten der Bewohner Brackwasser aufspüren und die Bevölkerung zudem sensibilisieren sollen. Zudem werden in den kommenden Tagen überall Fahrzeuge durch die Strassen fahren und ein entsprechendes Insektizid versprühen. Nun werden nach Willen der Regierung auch die brasilianischen Streitkräfte zur Vernichtung der Brutplätze eingesetzt. Rund 400 Soldaten sind bereits am Donnerstag in Rio de Janeiro eingetroffen.
- Dengue in Rio de Janeiro: Stündlich 100 neue Fälle – mittlerweile 67 Tote
- Alles zum Thema Dengue im brasilien Magazin
- Informationen zu Dengue [Labor Spiez, Schweiz, PDF, 200kb]
500.000 Merkblätter und 30.000 Plastikdeckel für Wassertanks wurden in der Region verteilt, Flugzeuge machten von den Ortschaften Luftaufnahmen, um unverschlossene Wassertanks, stillgelegte Schwimmbecken und weggeworfene Autoreifen aufzuspüren – ideale Brutplätze für das Moskito. Im Bundesstaat Rio de Janeiro existieren dafür sogar spezielle Gesetze. Sollte nach 48 Stunden die Gefahrenquelle seitens des Hauseigentümers oder Bewohners nicht beseitigt sein, so sind die Behörden berechtigt, das Grundstück zu betreten und selbst zu handeln. Auch über die Osterfeiertage soll aufgrund der derzeitigen Brisanz die Aktion fortgesetzt werden.
Klimatisierte Räume werden derzeit für die erkrankten Personen eingerichtet, um die Symptome zu verringern. Pflegepersonal und Arzthelfer werden massenhaft geschult, um die Krankheit schnell zu erkennen. In vielen Krankenhäusern werden zusätzliche Betten auf Intensivstationen eingerichtet, rund 900 zusätzliche Pflegekräfte sollen die Betreuung der Patienten sicherstellen.
35.000 Fälle allein in diesem Jahr, über 300 davon mit hämorrhagischem Fieber, bislang 49 Tote, weitere 50 Todesfälle werden noch untersucht und dazu eine enorme Dunkelziffer – Einwohner und Besucher von Rio de Janeiro haben derzeit allen Grund extrem besorgt zu sein. Besonders weil es keine einzige wirksame Impfung gegen das Dengue-Fieber gibt.
Und die Epidemie kann sich nun rasend schnell ausbreiten. Denn die Moskitos können sich nun an Zehntausenden von erkrankten Personen anstecken und dann das Virus bei den nächsten Stichen an andere Menschen weitergeben. Die Multiplikation ist kaum abschätzbar. Einzige Schutzmassnahmen sind neben dem Verlassen des betroffenen Gebietes lediglich lange Kleidung und Anti-Mückensprays (Repellent), welche jedoch auch auf die Kleidung aufgetragen werden sollten. Denn die Aedes Aegypti kann durch Hemden und dünne Hosen stechen.
Der Krankheitsverlauf des „normalen“ Dengue-Fiebers ähnelt am Anfang einem starken grippalen Effekt, weshalb die Krankheit von ungeübten Ärzte schwierig festzustellen ist. Fällt die Erkrankung stärker aus, durchläuft der Patient drei Stadien:
1. Plötzlich einsetzender Krankheitsbeginn mit Fieber bis 41° C, Schüttelfrost, Erschöpfungszuständen, Kopf-, Glieder-, Gelenk– und Muskelschmerzen („breakbone fever“), auffällig niedrigem Puls und metallisch bitterem Mundgeschmack. Gelegentlich tritt auch Hautausschlag, Übelkeit und Erbrechen auf.
2. Nach dem Fieberabfall und einer weiteren Zeitspanne von vier bis fünf Tagen kommt es zu einem erneuten Fieberschub. Danach entwickelt sich ein masernähnlicher Hautausschlag mit Lymphknotenschwellungen.
3. Nach weiteren fünf bis sechs Tagen beginnt die Erholungsphase, die sich über mehrere Wochen hinziehen kann.
Zudem kann auch ein hämorrhagische Denguefieber auftreten, welches unbehandelt oft zum Tod führt. Nachdem der Krankheitsverlauf wie bei der abgeschwächten Form beginnt, kommt es nach einigen Tagen zu einer dramatischen Verschlechterung. Der Blutkreislauf bricht zusammen, gefolgt von einem starken Flüssigkeitsverlust, Krampfanfällen und inneren Blutungen. Nicht selten fällt der Patient dabei ins Koma. In Entwicklungsländern liegt die Sterberate bei etwa 30 Prozent.
Bei Unsicherheit über die Erkrankung sollten keine Medikamente mit Acetylsalicylsäure (Aspirin oder ähnliches) verwendet werden. Zur Fieberbekämpfung wird in diesen Fällen normalerweise Paracetamol empfohlen.
Nachfolgend noch ein paar Verweise zu weiteren Einträgen über Dengue im brasilien Magazin mit Aufklärungsbroschüren und Informationen über das Moskito Aedes Aegypti und der Übertragung der Virusinfektion:
- TV-Star Luciano Huck an Dengue-Fieber erkrankt
- Sechsmal mehr Todesfälle an hämorrhagischer Dengue in Rio de Janeiro
- Immer mehr Denguefälle: Aufklärung tut Not
- Brasilien verzeichnet 45% mehr Erkrankungen an Dengue
- Rio: Dengue – Prävention
- Aedes aegypti – das Todesmoskito
Dieser Artikel wurde am Donnerstag, 20.03.08 in seiner ersten Form unter dem Titel „Dengue-Fieber: Steht Rio de Janeiro vor einer Epidemie?“ veröffentlicht. Die dramatische Entwicklung der Ereignisse machte in der Nacht zum Karfreitag eine umfassende Überarbeitung notwendig! Die Stadien des Krankheitsverlaufes wurden von Wikipedia übernommen.