Nur noch jedes zweite Kind kommt in Brasilien auf natürlichem Weg zur Welt. Der Anteil der Kaiserschnitte beträgt mittlerweile 54 Prozent. Damit steht das südamerikanische Land weltweit an der Spitze. Nach Daten der Weltgesundheitsorganisation WHO waren China und Brasilien im Jahr 2010 sogar für die Hälfte aller weltweit stattfindenden Kaiserschnitt-Geburten verantwortlich. Mütter, Frauenorganisationen und einige Politiker fordern indes die “humanisierte Geburt” zu fördern.
Während die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt, dass der Anteil der Kaiserschnitte nicht mehr als 15 Prozent beträgt, liegt die Rate in Brasilien vor allem in den privaten Krankenhäusern zum Teil bei über 80 Prozent. In der Stadt Niteroi kamen in den privaten Krankenhäusern sogar 95 Prozent aller Neugeborenen per Kaiserschnitt zur Welt. Allgemein betrug der Durchschnitt der Kaiserschnittgeburten in Brasilien 2011 etwa 54 Prozent.
Nicht immer sind es die Frauen, die sich für die Geburt per Operation entscheiden. Erst im April war im Süden Brasiliens eine junge Frau per Gerichtsbeschluss dazu gezwungen worden, gegen ihren Willen einen Kaiserschnitt vornehmen zu lassen. Die betreuende Ärztin hatte als Grund eine Steißgeburt angegeben. Der Fall sorgte für Aufregung. Frauenorganisationen vereinten sich daraufhin, um gegen die “Epidemie” der Kaiserschnitte vorzugehen und für das Recht auf einen natürlichen Geburtsvorgang zu kämpfen. Sie erwirkten eine öffentliche Anhörung im brasilianischen Abgeordnetenhaus.
Kritisiert wird die hohe Zahl der Kaiserschnitte auch im Zusammenhang mit der Müttersterblichkeit. In den vergangenen Jahren gab es bei dieser in Brasilien nur wenig Fortschritte. 1990 starben pro 100.000 Neugeborener 142 Mütter bei oder kurz nach der Geburt, 2011 waren es 64. Seitdem hat sich allerdings nicht mehr viel geändert. Ziel war es im Millennium-Kompromiss mit der UNO jedoch, die Müttersterblichkeit bis 2015 auf 35 pro 100.000 Neugeborene zu reduzieren. Experten verweisen darauf, dass dabei auch der hohe Anteil der Kaiserschnitte eine Rolle spielt, da das Risiko der Mütter und Babys, an einer Infektion zu erkranken erhöht sei.
Frauenorganisationen sprechen von einem Machtkampf der Mediziner, die zudem für eine schnellere Kaiserschnittgeburt eine höhere Entlohnung erhalten, als für eine natürliche Geburt, die etliche Stunden in Anspruch nehmen kann. Ein anderes Problem sind fehlende Fachkräfte wie spezialisierte Krankenschwestern oder Hebammen, die den Geburtsvorgang begleiten. Immerhin gibt es mittlerweile ein Programm zur “Humanisierung” der Geburten.