Die Urwaldmetropole Manaus wird erneut von einem Jahrhunderthochwasser bedroht. In diesen Stunden übersteigt der Pegel des Rio Negro am Hafen von Manaus den historischen Rekordwert von 28,77 Meter. Über ein Dutzend Stadtteile stehen seit Tagen unter Wasser, fast sechs Kilometer Behelfsstege wurden bereits vom Katastrophenschutz montiert. Nun drückt sich das Wasser des mächtigen Amazonaszuflusses durch die Kanalisation auch ins Zentrum der Stadt. Am Dienstagvormittag lag der Wasserstand mit 28,75 Meter nur zwei Zentimeter unter dem bisherigen Höchstsstand.
Die brasilianische geologische Dienst schließt mittlerweile aus, dass sich die Situation in den nächsten Tagen wieder entspannt. Noch bis Ende Mai könnte der Rio Negro täglich um bis zu vier Zentimeter ansteigen, letzte Prognosen sprechen von einem Höchststand von 30,13 Meter in der ersten Juniwoche. Erst dann soll der Pegel des Schwarzwasserflusses, der sich hinter Manaus mit dem Rio Solimões zum Amazonas vereint, langsam wieder fallen.
45 der insgesamt 62 Gemeinden im Bundesstaat Amazonas haben inzwischen den Notstand ausgerufen. In vielen Gemeinden sind die Hauptverkehrswege unpassierbar. Geschäfte und Schulen sind überflutet und geschlossen, Friedhöfe stehen meterhoch unter Wasser. Vielerorts ist inzwischen das Kanu auch abseits des normalen Flußbettes einziges Fortbewegungsmittel. Die Schifffahrt auf den Amazonaszuflüssen ist aufgrund der historischen Wassermassen mittlerweile ebenfalls eingeschränkt, zu unberechenbar sind derzeit die Strömungen. Zudem gefährdet mitgerissenes Treibgut die traditionellen Holzboote und deren Motoren.
Im Stadtzentrum von Manaus bereiten sich die Geschäftsinhaber inzwischen auf die Räumung ihrer Läden vor. Der Zivilschutz hat in den vergangenen Tagen zahlreiche Pumpen installiert, auch Sandsäcke sollen einen weiteren Anstieg des Wassers verhindern. Um die Ausbreitung von Krankheiten im Keim zu ersticken, wurde das stehende Wasser zudem mit Kalk versetzt. Bereits in der vergangenen Woche hatten sich erste Pfützen auf den Straßen im Geschäftsviertel der Millionenstadt gezeigt. Die Behörden hatten daraufhin die Anstrengungen im Kampf gegen das Hochwasser nochmals intensiviert.
Manaus war zuletzt 2009 Schauplatz eines Jahrhunderthochwassers. Damals war mit 28,77 Meter der höchste Wasserstand seit Einführung der Messungen im Jahr 1906 verzeichnet worden. Die Experten sprachen damals von einer Ausnahmesituation, die sich frühestens in zehn Jahren wiederholen würde. Die Amazonasregion leidet in den letzten Jahren immer häufiger unter extremen Wettersituationen, die sich dramatisch auf die Pegelstände während und ausserhalb der Regenzeit niederschlagen. So werden auch immer wieder niedrigere Wasserstände während der Trockenzeit registriert. Umweltexperten machen den vor allem den weltweiten Klimawandel und die fortschreitende Abholzung im größten Regenwaldgebiet der Erde dafür verantwortlich.