11 Monate konnten die Wissenschaftler vom Institut für Mensch und Umwelt in Amazonien (Imazon) einen stetigen Rückgang der Abholzung in Amazonien in Brasilien verzeichnen, der Grund für Hoffnung gab. Doch seit Juli steigen die Zahlen wieder sprunghaft an. Dies ergab die Analyse von Satellitenaufnahmen, die von der brasilianischen Weltraumbehörde Inpa bereitgestellt und gemeinsam mit der Naturschutzbehörde Ibama ausgewertet werden.
Der August ist damit der zweite Monat in Folge, an der eine Erhöhung der Abholzung zu verzeichnen ist. Im August dieses Jahres wurden im Amazonasgebiet 273 Quadratkilometer gerodet – soviel wie seit fast einem Jahr nicht mehr. Gegenüber August 2008, wo „nur“ 102 Quadratkilometer Motorsäge und Feuer zum Opfer fielen, beträgt die Erhöhung satte 167 Prozent. Im Juli 2009 wurde die gigantische Zahl von 532 Quadratkilometern ermittelt, fast soviel wie im Vorjahreszeitraum.
Doch wie immer mahnen die Experten zur Vorsicht. Die Zahlen stellen keinesfalls eine umfassende Bilanz dar, denn der Raubbau an der Natur wurde wie in den vergangenen Monaten an verschiedenen Stellen von Wolken verdeckt. 46 Prozent der Flächen konnten demnach auf den im August erstellen Satellitenfotos überhaupt nicht untersucht werden.
Eines steht jedoch fest: am stärksten betroffen ist abermals der Bundesstaat Pará. 76 Prozent sämtlich ermittelter Abholzung fand dort statt. Hier wird vor allem für die Rinderzucht gerodet, liegen die Gebiete doch im Einzugsbereich zweier grosser Nationalstrassen mit Verbindungen in den Süden Brasiliens. Den Viehzüchtern drohen zwar empfindliche Strafen und die Beschlagnahmung ihrer illegalen Rinder, doch nach der Abholzung sind die Flächen faktisch für immer zerstört. Und auch wenn sich die brasilianische Fleischindustrie mittlerweile freiwillig verpflichtet hat, keinerlei Ware von illegalen Weideflächen abzunehmen, die Auswirkungen sind noch lange nicht spürbar.
Da die Farmer immer tiefer in den amazonischen Regenwald vordringen, beschränken sie sich natürlich auch nicht auf eigene Flächen. Auch Indianerschutzgebiete und Nationalparks werden durch den Einsatz modernster Technik und Brandrodung ihrer unvergleichlichen Biodiversität beraubt. Im Gebiet „Triunfo do Xingu“ waren dies im August 18,7 Quadratkilometer, im Nationalpark „Jamanxin“ immerhin noch 4,2 Quadratkilometer.
Für den Leiter der Untersuchungen im Imazon-Institut, Adalberto Veríssimo, ist das Vordringen der Viehzüchter in Schutzgebiete Teil eines Planes. „Die Abholzungen sind als Druckmittel zur Reduzierung der Schutzgebiete zu verstehen“ zeigt er sich überzeugt und verweist auf ein Beispiel aus dem Juni dieses Jahres. Damals hatte der brasilianische Umweltminister Carlos Minc einem Antrag des Bundesstaates Rondônia zunächst stattgegeben, einen Teil eines staatlichen Nationalparks gegen angebliche Schutzgebiete des Bundesstaates einzutauschen, in denen unter anderem bereits ein Wasserkraftwerk errichtet wurden. In dem bislang staatlich geschützten Gebiet leben jedoch tausende Familien, die den dort bereits zu einem Viertel abgeholzten Regenwald nun weiter zerstören könnten. Der Nationalkongress muss über den Vorgang jedoch noch entscheiden.
„Durch den Beginn der Verhandlungen zum Umgestaltung der Grenzen, wurden die neuen Spielregeln akzeptiert“ beklagt Veríssimo. Seiner Meinung nach geht es bei den in jüngster Zeit zerstörten Flächen in dem Gebiet weder um Tropenholz noch um Viehwirtschaft. Es sei einfach „ein Spiel des Abfackelns“.
Grafiken: Imazon / SAD