Die Stadt am äussersten westlichen Rand Paranás erlangte ihren Ruhm durch zwei Bauwerke. Das erste sind die von der Natur vor 150 Million Jahren erschaffenen Cataratas, die Wasserfälle des Rio Iguaçu, welche auf einer Breite von 2700 Metern ca. 75 Meter in die Tiefe stürzen. Hiermit zeigt der Fluss, nachdem er 1300 Kilometer von Curitiba durch ganz Paraná geflossen ist, seine ganze gewaltige Kraft. Es scheint aber auch ein letztes Aufbäumen vor dem Tode zu sein, und doch der krönende Anschluss seines Daseins. Kurz darauf mündet er in den Rio Paraná und geht sprichwörtlich in dessen Fluten unter.
Blick in die „Garganta do diabo“ – den „Teufelsschlund“
Die Fluten des Rio Paraná, in die der Rio Iguaçu einmündet, haben eine ganz andere Geschichte hinter sich. Langsam und träge floss der fast auf der gesamten Länge aufgestaute Fluss durch Mina Gerais und an der Grenze des Mato Grosso entlang, bevor er durch das zweite Bauwerk, die von Menschenhand errichtete Staumauer des Kraftwerkes Itaipu zu einem riesigen See aufgestaut wurde, dem Lago Itaipu. Hier bildet des See die natürliche Grenze zwischen dem brasilianischen Bundesstaat Paraná und Paraguay. Und am Ende dieses Sees wird sein Wasser durch 18 riesige Turbinen geleitet und erzeugt damit in dem, was die Strommenge betrifft, grössten Wasserkraftwerk der Welt die Energie für weite Teile Südbrasiliens, aber auch für das gesamte Paraguay mit seinen 5 Millionen Einwohnern.
Und nur ein paar Kilometer weiter, genau an der Stelle, wo sich die beiden kraftvollen Ströme vereinen, treffen drei Länder aufeinander. Argentinien, Brasilien und Paraguay. Und diese drei Länder teilen sich die Attraktivitäten der Region. Brasilien und Paraguay stehen für Itaipu, Argentinien und Brasilien für die Wasserfälle. Und mitten in diesem Fluss, im Dreiländereck liegt für viele das Herz Südamerikas …
Was hat es also mit all diesen Wundern von Natur und Menschenhand auf sich:
Die Legende um die US-Präsidentengattin Eleonora Roosevelt ist bestimmt nicht ganz unbegründet: „Poor Niagara“ soll sie beim Anblick der Cataratas gesagt haben. Breiter als die Victoriafälle, höher als die Niagarafälle, für viele einfach die schönsten der Welt. Die beste Aussicht hat man von der brasilianischen Seite, wo man mit einem Tourbus vom Tourismuszentrum aus durch den Naturpark an einen Fussweg gebracht wird, von dem aus man die Gegend erkunden kann. In jeder Wegbiegung erhaschen wir einen neuen Eindruck der Naturgewalt und auch das anfängliche Rauschen verwandelt sich langsam in ein stetiges Dröhnen, bis wir direkt vor dem „Teufelsschlund“ stehen, dem mächtigsten aller Fälle und in seine Gischt eingehüllt werden. Näher heran kommt man von argentinischer Seite, allerdings mehr von oben als von unten. Daher ist unbedingt ein Besuch beider Seiten empfehlenswert. Oberhalb der Wasserfälle auf brasilianischer Seite ist ein Restaurant, und auf den umliegenden Wiesen tollen zahme, neugierige Nasenbären herum, die auch keine Skrupel haben, ungefragt in Taschen herumzuwühlen. Die Cataratas kann man im Übrigen auch mit dem Schlauchboot erkunden, Dusche inklusive. Oder man startet zu einem 20 Minütigen Hubschrauberrundflug, unbeschreiblich schön, jedoch viel zu kurz.
Im Naturpark liegt auch der von privater Hand geführte „Parque das Aves“, ein Vogelpark mit mehr als 1000 Vögel von 150 verschiedenen Arten. Hier kann man in 16 Hektar subtropischen Regenwald die reiche Tier- und Pflanzenwelt entdecken. Auch Kaimane und Affen kann man dort bewundern.
Der Naturpark von Iguaçu umfasst 185.000 Hektar subtropischen Regenwaldes und ist eines der grössten und neuesten Reservate des Mate Atlantica in Paraná. 1986 wurde er von der Unesco zum Weltkulturerbe erklärt. Auch diesen kann man von dort aus zu Fuss oder mit dem Trekking-Bike erkunden. Doch es gibt schönere, weniger erschlossene Stellen des Naturschutzgebietes, die wir jedoch später erkunden wollen.
Die Cataratas, betrachtet von der argentinischen Seite!
Jedoch muss man die Cataratas auch von argentinischer Seite aus gesehen haben. Nach dem Überqueren des Rio Iguaçu auf der 1985 eingeweihten Brücke „Trancedo Neves“ gelangen wir nach Puerto Iguazú, übersetzt der „Hafen des grossen Wassers“. Die Wasserfälle erreichen wir mit einer gasbetrieben Bahn, die alle 15 Minuten mit dem Schneckentempo von 20 km/h dorthin fährt. Doch auch hier kann man in dem 67.000 Hektar grossen argentinischen Teilstück des Nationalparks die Seele baumeln lassen. Von hier aus hat man auch einen sehr schönen Ausblick das Alto Paraná, ein Departement Paraguays mit ebenfalls reichhaltiger Tier- und Pflanzenwelt.
Auf dem Rückweg nach Foz do Iguaçu kommen wir nicht umhin, auf brasilianischer Seite am „Marco das Tresfronteiras“ und „Espaço das Americanas“ anzuhalten. Hier befindet sich wie bereits beschrieben in der Mündung der beiden Flüsse das Dreiländereck. Alle drei Staaten haben dort Obelisken aufgestellt, die ein gleichseitiges Dreieck bilden und als Symbol der Gleichheit und des Respektes der Nationen gegeneinander dienen. Uns erwartet daneben eine fantastische Aussicht. Der „Espaço das Americanas“ ist ein Ausgestellungsgebäude und wurde im Rahmen des Mercosul errichtet. Es dient als Begegnungszentrum der lateinamerikanischen Kulturen, deren Verständigung damit verbessert werden soll.
In Foz do Iguaçu gibt es inzwischen die zweitgrösste Hotelanreihung Brasiliens. In unzähligen Hotels aller Kategorien kann man dort übernachten. Desweiteren kann man am späten Abend eine Samba-Show oder ein Konzert besuchen – oder man geniesst in einem der zahlreichen Restaurants einfach nur ein leckeres Churrasco. Das Fleisch wird hierbei auf einem Spiess am Tisch serviert, und man kann davon soviel essen wie man möchte. Meist haben die Restaurants mehr als 10 verschiedene Sorten Grillfleisch im Angebot. Die Beilagen holt man sich an einem grossen Buffet. Für all das zahlt man einen Festpreis, nur die Getränke gehen extra.
Die kleine Grenzstadt Foz do Iguaçu wurde 1889 als kleine Militärstation gegründet und vergrösserte sich in den kommenden Jahrzehnten dermassen, dass sie seit 1918 als eigenständige Gemeinde geführt wurde. Die ersten Europäer kamen jedoch bereits 1542 in die seit über 8000 Jahren von Indianern bewohnte Region und entdeckten dabei die Wasserfälle. Heute leben knapp 300.000 Menschen aus 65 verschiedenen ethnischen Gruppen in der Stadt.
Durch seine interessante Lage entwickelte sich Foz do Iguaçu in den letzten Jahren immer zum Bindeglied für den Warenverkehr zwischen Paraguay, Brasilien und Argentinien. Durch seine strategische Anbindung werden auch immer mehr Waren, die für Bolivien bestimmt sind, über Paraguay und somit über Foz transportiert. Die Grenzstadt Carumba im Pantanal verliert dadurch zunehmend an Bedeutung.
Blick auf Foz do Iguaçu
Sicherlich wurde Foz auch durch den Tourismus geprägt. Wie bereits gestern berichtet entstanden durch die touristische Ausbeutung der Cataratas unzählige Hotels, doch auch der Bau des Kraftwerkes zog viele Menschen aus dem Umland in diese Region. Schliesslich wurden damals unzählige Arbeitsplätze geschaffen. Nur knapp konnte die damalige Regierung umgestimmt werden, in Höhe der Wasserfälle ebenfalls ein Kraftwerk zu errichten. Dadurch wäre dieses Wunder der Natur für alle Zeit verloren gewesen.
Doch schauen wir uns obige Karte einmal genauer an. Zwei Brücken besitzt Foz. Eine haben wir gestern bereits überquert, und zwar die Ponte Trancedo Neve. Der kleine Grenzverkehr mit den Argentinier ist eigentlich ziemlich unproblematisch. Denn für die vielen Wasserfall-Besucher, die einmal einen halben Tag in Argentinien verweilen wollen, wird die Bürokratie nicht unnötig angekurbelt. Denn dies würde eine formelle Ausreise aus Brasilien bedeuten und später wieder eine formelle Einreise. Der Reisepass wäre um 4 Stempel reicher. Wer die argentinischen Stempel möchte, kann dies natürlich gerne tun. Er muss dann halt ein paar Formulare ausfüllen. Wer allerdings in Argentinien bleiben oder erstmalig nach Brasilien einreist, der muss unaufgefordert einen Grenzbeamten aufsuchen. Sonst gibt es später bei der Ausreise an anderer Stelle erhebliche Schwierigkeiten. Linienbusse halten normalerweise einfach an. Wer einen Stempel braucht, steigt aus, der Rest bleibt wartet einfach. Brasilianer, Argentinier und Paraguayer überqueren die Grenze einfach mit dem Personalausweis, Mercosur macht es möglich.
Die Freundschaftsbrücke über dem Rio Paraná
Die zweite Brücke, die Foz mit einem anderen Land verbindet, ist die „Ponte da Amizade“, die Freundschaftsbrücke. Sie verbindet Foz do Iguaçu mit der paraguayischen Grenzstadt Ciudad del Este. Sie wurde am 27. März 1965 eingeweiht und hat eine Länge von 552 Metern, davon 303 Meter freitragend, angeblich Weltrekord. Und es ist die Schmuggelbrücke Südamerikas. Noch vor einem Jahr hat man sein Auto in Paraguay mit vielen zollfreien Waren (Elektronik, Haushaltswaren, Kleidung) vollgeladen und ist einfach über die Brücke gefahren. Dies hat seit letztem Juni nun ein jähes Ende gefunden. Brasilien hat einfach die Brücke für mehrere Tage gesperrt um auf die Situation aufmerksam zu machen. Nun wird fast jedes Auto kontrolliert, da der Verkehr erheblich zurückgegangen ist. Nachwievor wird geschmuggelt, jedoch in weitaus geringerem Maße und mit höheren Aufklärungsquoten.
Man muss sich vorstellen, dass hier einst Verkehr geherrscht hat, wie an einer Baustelle am Frankfurter Kreuz. Langsam schob sich Wagen für Wagen über die Grenze, dazwischen zwängten sich unzählige Motorradtaxis, von Brasilien kommend leer, aus Pararaguay kommend mit Kisten und Tüten beladen. Der Stau reichte bis weit nach Ciudad del Este hinein. Wenn nur ein Auto anhalten musste, war das Chaos perfekt. Kontrollen gab es kaum. Auch hier muss mein seine Einreisekarte, bzw. seinen Stempel im Pass verlangen und örtlich bedingt sogar 100 Meter zurücklaufen, da die Zollkontrolle an anderer Stelle liegt als die Passkontrolle. Die Paraguayer interessiert das alles nicht. Die Ausfuhr ist nicht verboten, und einführen tut eh niemand etwas. Nun hat sich das alles etwas normalisiert. Wir können also ganz gemütlich ohne Kontrolle hinüberfahren, ein paar nette Dinge einkaufen und wieder nach Brasilien zurückkehren. Der Einkaufswert von 300 Dollar sollte allerdings nicht überschritten werden. Kleinlich werden die brasilianischen Behörden inzwischen allerdings bei Raubkopien, insbesondere bei CDs und DVDs.
Autokolonne aus Paraguay auf der Freundschaftsbrücke
Bereits vor Jahren wurden meist die „delikateren Pakete“ einfach von jemanden über die Brücke getragen und kurz vor der Grenzstation von derselbigen heruntergeworfen. Unten, und somit auf brasilianischem Boden, wartete schon der Empfänger und war natürlich längst verschwunden, wenn Zollbeamte dort auftauchten. Auf den letzten 100 Metern wird deshalb der Zaun immer höher, jedoch lässt sich an unzähligen geflickten Stellen erkennen, dass die Schmuggler auch mit Drahtzangen umgehen konnten.
Die Freundschaftsbrücke von Brasilien aus gesehen
Ciudad del Este wird aber aufgrund der aktuellen Ereignisse allmählich unattraktiv und auch das berühmte Chaos auf der Brücke ist nicht mehr so aufregend. Desweiteren ist die „Oststadt“, die voher nach dem paraguayischen Diktator deutscher Abstammung Alfredo Stroessner benannt war, ohne nennenswerte Sehenswürdigkeiten und obendrauf sehr schmutzig. Viele Menschen hatten im Schmuggel ihre Lebensgrundlage, diese wurde ihnen nun entzogen. Gewalt und Kriminalität sind gestiegen. Kurzum, ein Besuch lohnt kaum noch. Alleinig die grossen Elektronik-Shoppings mit unzähligen kleinen Geschäften sind wirklich interessant. Hier bekommt man alles, was das Herz begehrt. Und die vielen Straßenhändler, die ihre Ware in kleinen Buden oder einfach nur auf einem Pappkarton an der Ecke anbieten, lassen erahnen, was hier einmal für ein Handelszentrum gewesen ist. Allein darum wollte ich es euch nicht vorenthalten.
Vielleicht ist noch anzufügen, dass die Freundschaftsbrücke die paraguayische „Ruta 1“ und die brasilianische „BR 277“ miteinander verbindet und somit eine Direktverbindung Asunción – Curitiba mit einer Länge von knapp 1000 km bildet.
Aber zurück nach Foz do Iguaçu. Jetzt sehen wir das Städtchen plötzlich mit anderen Augen. Viele Dinge sehen jetzt viel ordentlicher aus als vorher. Der Kontrast macht es erst möglich. Und am städtischen Busbahnhof angekommen, sind wir erstaunt, einen kleinen, aber feinen Park inmitten der Stadt vorzufinden, den „Zoológico Bosque Guarani“.
Er lädt uns in seinen 4,5 Hektar umfassenen Wald ein, damit wir uns vom Stress der Stadt entspannen können. 400 Tiere in diversen Gehegen, meist Vögel, aber auch Affen und Schildkröten können hier besichtigt werden. Zwei kleine Teiche geben der Anlage den letzten Schliff. Es ist herrlich ruhig hier, nur die Tiere hört man. Die Ruhe in der Grossstadt.
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