Teil 2: Das Wasserkraftwerk Itaipu

Datum: 16. Februar 2006
Uhrzeit: 15:57 Uhr
Autor: Dietmar Lang
Sprachkurs Portugiesisch (Brasilianisch)

Nur wenige Kilometer von Foz do Iguaçu entfernt, liegt das riesige Kraftwerk „Hidreléctrica Itaipu Binacional“ Zurerst wollen wir uns dieses gigantische Bauwerk einmal aus der Luft ansehen:


Satellitenaufnahme der Firma EngeSat

Das Wasserkraftwerk ist das grösste der Welt. Und es wird es auch bleiben. Selbst wenn das grosse chinesische Kraftwerk „Drei Schluchten“ 2009 mit 26 Turbinen voll funktionsfähig ist, wird Itaipu mit seinen 18 Turbinen nachwievor mehr Strom erzeugen. Bereits im Jahre 2000 schaffte das Kraftwerk einen Weltrekord: 93.428 Gigawattstunden Strom wurden damals in diesen 12 Monaten erzeugt.

Doch wie entstand Itaipu? Der Name bedeutet in der Indianersprache übrigens in etwa soviel wie „Steine, die singen“. Bereits 1966 beschlossen die zuständigen Vertreter von Brasilien und Paraguay, einen Stausee zu errichten, der von den Wasserfällen „Sete Quedas“ im Norden bis nach Foz do Iguaçu reichen sollte. Am Ende des Sees sollte ein Wasserkraftwerk errichtet werden. Da der Rio Paraná die natürlich Grenze zwischen den beiden Ländern bildet, konnte Brasilien das Vorhaben nicht alleine durchführen. Paraguay war jedoch finanziell nicht in der Lage sich in grossem Masse zu beteiligen. Daher legte Brasilien sämtliche Kosten vor und Paraguay zahlt seitdem seinen Anteil in Form von Stromlieferungen und kleineren Ratenzahlungen an Brasilien ab.


Turbinen auf der Rückseite der Staumauer

1971 begannen die Bauarbeiten, die sich viele Jahre hinziehen sollten. Im Jahre 1978 wurde der erste Kanal geöffnet, um den Fluss für den Dammbau umzuleiten. Am 13. Oktober 1983, nach Fertigstellung des Dammes, wurde der Kanal geschlossen und der Fluss auf einer Fläche von 1.350 Quadratkilometern aufgestaut. Die Länge des Sees beträgt 170 Kilometer, seine durchschnittliche Breite acht Kilometer. Sein entgültiges Niveau erreichte er nach einem Anstieg des Wasserspiegels um 100 Meter nach 14 Tagen am 27. Oktober 1983. Der Lago Itaipu war erschaffen.

Doch was musste in den 12 Jahren zuvor nicht alles geleistet werden:

– Das gesamte Betonvolumen, welches für den Bau von Itaipú verwendet wurde, wäre ausreichend, um 210 Fußballstadions in der Größe des gigantischen Maracanã in Rio zu bauen.

– Mit dem verwendeten Eisen- und Stahlmengen könnten 380 Eiffeltürme errichtet werden.

– Die Höhe von der Hauptstaumauer (196 Meter) entspricht einem 65-stöckigem Hochhaus.

– Die Ausschachtung für den Bau von Itaipú ergab ein Volumen an Stein und Erde, der 8,5 mal größer ist als derjenige des Eurotunnels und die verwendete Betonmenge ist 15 mal größer.

Doch dann war dieses Wunder der Moderne fertig und bereit für neue Rekorde:

– In einer einzigen Sekunde schiessen 62.000 Kubikmeter Wasser durch die Turbinen. Dies entspricht 40 mal den Durchschnitts- wasserausstoß der Iguaçú-Fälle.

– Brasilien müsste 434.000 Fässer Öl pro Tag verbrennen, um von einem thermoelektrischen Kraftwerk die gleiche Energie wie von Itaipu zu erzeugen.

– Der Damm ist 8 Kilometer lang und 196 Meter hoch. Somit ist dieser Staudamm sechs mal größer als der in Aswan in Ägypten.

– Das Krafthaus mit den 18 Turbinen liegt in der Hauptstaumauer und ist 968 Meter lang, 99 Meter breit und 112 Meter hoch.

– Mit einer Gesamtkapazität von 12.600 Megawatt deckt die erzeugte Energie nicht nur den gesamten Strombedarf von Paraguay, sondern erreicht auch, durch die Vernetzung des gesamten elektrischen Systems in Brasilien, fast jede Ecke des Landes.

– Die Produktionskapazität einer einzigen Turbine kann den Bedarf einer Stadt mit 1,5 Millionen Einwohnern decken.

Und bis September 2005 haben über 13 Millionen Besucher aus 165 verschiendenen Nationen das Kraftwerk bestaunt.

Von Foz de Iguaçu aus sind es wie bereits gesagt nur ein paar Kilometer, und schon stehen wir vor dem grossen Eingangstor. Ein erstes Erstaunen macht sich breit, denn der Eintritt ist tatsächlich frei. Im Besucherzentrum erfahren wir ausführlich alles Wissenswerte über das Kraftwerk. Überall darf gefilmt und fotografiert werden. Moderne Reisebusse des Kraftwerkes fahren die Besucher kontinuierlich über das Gelände. Begegnungen der Superlative total.


Die Turbinen im Grössenvergleich

Auf dem weitläufigen Gelände befindet sich auch noch ein Ökomuseum und ein biologisches Refugium mit einer Tierkrankenstation. Und auch die Technikfreaks können sich freuen. Zu bestimmten Uhrzeiten ist der (kostenpflichter) Einblick in das Innerste des Kraftwerkes möglich.

Da ich hier niemanden mit endlosen technischen Monologen langweilen möchte, verweise ich für alle weitergehenden Details der Anlage auf die Hompage des Kraftwerkes.

Doch vor den riesigen Turbinen zu stehen, die Staumauer herunterzuschauen und die Weite des Lago Itaipu zu erahnen, dies sind die wahren Highlights unseres Besuches. Ein besonderer Reiz bilden die am monumentalen Illuminationen, die immer Freitags und Samstags abends stattfinden. Über 512 Scheinwerfer, 112 Leuchten, 60 Kilometer Kabel erleuchten das gewaltige Konstrukt. Die ganze Präsentation wird mit Musik untermalt und so erleben wir ein „Espetáculo de luzes e som“ (Licht- und Tonspektakel), welches vom Energiebedarf eine Stadt mit 15.000 Einwohnern beleuchten könnte. Hierfür dann aber doch ein Eintritt verlangt, der den indigenen Völkern zugute kommt. Es besteht auch die Möglichkeit, anstatt des geringen Eintrittspreises 2 Kilo Lebensmittel zu spenden. Die Veranstaltungen sind immer gut besucht, und zu besonderen Anlässen wird seitens des Kraftwerkes noch tiefer in die Show-Trickkiste gegriffen.


Blick auf den Lago Itaipu

Wenn man diesen Teil Brasiliens bereist und das Kraftwerk nicht besucht, dann hat man wirklich etwas verpasst. Auch wenn man kein Technikfreak ist. Doch die umliegende Region hat viel zu bieten. Durch die Aufstauung ist natürlich der Rio Paraná mit seiner starken Strömung verschwunden. Erschienen ist ein ruhig daliegender See, der zum Baden einlädt. Und so wurde hier in den vergangenen Jahren sehr viel in den Tourismus investiert. Aus 180 Kilometer Flussufer wurden nun 180 Kilometer Küste. Sie ist bekannt als die „Costa Oeste“, die Westküste. Und jedes Jahr lockt sie bis zu 1.5 Millionen Besucher an. In den nächsten Teilen dieser Serie werden wir uns den kleinen Ortschaften und touristischen Attraktionen widmen – eine Reise entlang der „Costa Oeste“!

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