Brasilien: Parlament verabschiedet umstrittenes Waldgesetz

abholzung

Datum: 25. April 2012
Uhrzeit: 20:04 Uhr
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Autor: Dietmar Lang
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In Brasilien hat das Parlament am Mittwoch (25.) einen neuen Entwurf des höchst umstrittenen Waldgesetzes verabschiedet. Die Abgeordneten stimmten mit 274 Ja-Stimmen bei 184 Gegenstimmen und zwei Enthaltungen für den erst wenige Tage zuvor von Paulo Piau von der Partei der demokratischen Bewegung (PMDB) vorgelegten Entwurf. Dieser stand als Gegenvorschlag zu dem im Dezember vom Senat beschlossenen Entwurfes im Raum. Der Senat hatte über seine Umweltkommission mehr als 20 Änderungen in die im vergangenen Jahr erstmalig vom Parlament beschlossene Vorlage eingearbeitet, so dass nun ein abermaliges Votum der Abgeordneten nötig wurde. Nun geht der Gesetzentwurf zur Ratifizierung zu Staatspräsidentin Dilma Rousseff, die die Vorlage komplett oder in Teilen durch ihr Vetorecht ablehnen kann.

Die nun beschlossen Version des neuen „Código Florestal“ kommt in großen Teilen der Agrarlobby entgegen. Bei einem Inkrafttreten des Gesetzes würden sowohl Kleinbauern als auch Großgrundbesitzer profitieren. Der Abstimmung waren daher hitzige Diskussionen vorausgegangen, auch Umweltschutzorganisationen und Bürgerbewegungen hatten sich in den vergangenen Monaten vehement gegen die Initiative ausgesprochen. Auch während der Diskussion hielten einige Abgeordnete Zettel hoch, auf denen Rousseff aufgefordert wurde, ihr Veto gegen die Vorlage einzulegen. Diese dürfte mit der Abstimmung keinesfalls zufrieden sein, bis zuletzt hatte sich das Staatsoberhaupt indirekt für die Senatsvorlage ausgesprochen.

In dem nun beschlossenen Text sind zahlreiche wichtige Punkte weggefallen oder abgeändert worden. So wurde unter anderem der Verpflichtung für Gemeinden gestrichen, bei der Ausweitung von urbanen Flächen für jenen Bewohner mindestens 20 Quadratmeter Grünfläche zu schaffen. Auch lässt die neue Vorlage den Bundesstaaten mehr Freiheiten, ursprünglich sollten Umweltauflagen zentral aus Brasília gesteuert werden. Piau konnte sich jedoch nicht mit seinem Vorstoß durchsetzen, die Verpflichtung von 15 Metern Auenwald entlang von Flüssen mit weniger als 10 Meter Breite zu streichen. Parlamentspräsident Marco Maia lehnte den Änderungsvorschlag als nicht rechtmäßig ab, da dieser Passus im vergangenen Jahr bereits von Parlament und Senat abgesegnet worden war.

Auch aus diesem Grund zeigten sich die der Agrarlobby nahe stehenden Abgeordneten nicht hundertprozentig zufrieden mit dem nun abgesegneten Gesetzentwurf. „Der Entwurf von Paulo Piau ist schon besser, aber ohne Zweifel haben wir in einigen Punkt nicht unser Ziel erreicht“ so Ronaldo Caiado von den Demokraten (DEM). Für ihn ist die notwendige Aufforstung an kleinen Wasserläufen eine „Anomalie“, die gerade Kleinbauern wirtschaftlichen Schaden zufügen würde.

Die Fraktion von Rousseffs Arbeiterpartei PT hatte bis zuletzt vergeblich versucht, die Abgeordneten dazu zu bewegen, am Mittwoch nur über die Senatsvorlage abzustimmen. Selbst diese war bereits von Umweltschützern scharf kritisiert worden, ist nach allgemeiner Auffassung jedoch noch deutlich „umweltfreundlicher“ als der nun abgesegnete Entwurf, der bei Inkrafttreten nicht nur den Grundbesitzern Amnestie für in der Vergangenheit begangene Umweltvergehen wie illegale Abholzung gewährt. Auch könnten dann bislang geschützte Gebiete gerodet und für Landwirtschaft und Viehzucht verwendet werden. Umweltorganisationen sprechen von bis zu 70 Millionen Hektar nativem Regenwald, der dadurch in den kommenden Jahren der Kettensäge zum Opfer fallen könnte.

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  1. Europa (ohne Russland) hat 99,7% seiner Naturwälder abgeholzt. Auf etwa 30% der Landfläche wurde in Europa im Lauf der Jahrhunderte Wald mehrfach aufgeforstet und wieder abgeholzt. Trotzdem ist Europa nicht verarmt, leidet nicht unter unnatürlichem Klimawandel, hat eine überschaubare Umweltproblematik und eine reichhaltige Biodiversität.

    Mit einem Waldanteil von 47% (zu 80% Naturwald), ist Südamerika der waldreichste Kontinent überhaupt. In fast allen Ländern Südamerikas muss jeder Landeigentümer von Naturwald zwischen 50 und 80% seines Waldbesitzes weitgehend im Naturzustand erhalten,- und das ausschließlich auf eigene Rechnung, ohne jede Entschädigung (eine Tasache, die in Artikeln wie diesem gerne vergessen werden). Wir konnten zeigen, dass diese Form von Landnutzung absolut nicht auf Kosten der Artenvielfalt geht.

    Jeder Eigentümer von Agrarland oder Wald in der EU erhält dagegen jedes Jahr zwischen 300 bis 400 Euro pro ha „Ausgleichszahlungen“ für Einschränkungen der Landnutzung durch die Agrar- und Umweltgesetzgebung.

    Ich verstehe daher nicht die scheinheilige Aufregung, die uns Viehzüchtern in Südamerika mit hartnäckiger Penetranz vor allem aus Europa entgegenschlägt. Oder handelt es sich um Protektionismus mit Naturschutzargumenten, um (vor allem auf Kosten anderer) politisch korrekt den „Planeten zu retten“?

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