Züricher Polizei veröffentlicht nach diplomatischem Druck endlich Stellungnahme

Datum: 12. Februar 2009
Uhrzeit: 18:12 Uhr
Ressorts: Panorama
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Autor: Dietmar Lang
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Schweizer Neonazis foltern schwangere Brasilianerin und ritzen ihr die Buchstaben SVP in die Haut (Foto: Divulgação)

Nach massivem diplomatischem Druck hat die Stadtpolizei von Zürich am Donnerstagnachmittag Ortszeit endlich eine Stellungnahme zum niederträchtigen Überfall auf die 26-jährige Brasilianerin Paula Oliveira veröffentlicht. Die Tochter eines angesehenen brasilianischen Anwalts wurde am Montagabend auf dem Nachhauseweg von drei Skinheads pervers gefoltert (mehr…). Unter anderem wurde sie mit Fusstritten traktiert, die Rechtsextremisten verletzten sie zudem am ganzen Körper mit einem Messer und ritzten die Insignien der rechtspopulistischen Schweizer Volkspartei SVP in Oberschenkel und Bauchbereich. Durch die Gewaltanwendung ereilte sie ein Abort. Sie war im dritten Monat mit Zwillingen schwanger.

Nach dem die grausige Tat am gestrigen Mittwoch an die Öffentlichkeit gelangte, war sie bereits heute Tagesthema Nr. 1 in Brasilien. Besonders die Kommunikationspolitik seitens der Polizei wurde vom Vater des Opfers, der bereits am Dienstag von Recife nach Zürich gereist war sowie von der brasilianischen Generalkonsulin, Vitória Claever stark kritisiert. Daraufhin hatte sich der brasilianische Aussenminister Celso Amorim in den Fall eingeschaltet und den Schweizer Botschafter Wilhelm Meier in Brasília zum Gespräch zitiert (mehr). Dieser ist allerdings derzeit nicht in der brasilianischen Hauptstadt, so dass der Geschäftsträger der Botschaft, Claude Grottaz mit dem Chef der Konsulatsabteilung im brasilianischen Aussenministerium, Eduardo Gradilone, zusammentraf. Letzterer übersandte die formelle Bitte Amorims, dass die brasilianische Regierung eine umfassende und transparente Aufklärung des Verbrechens sowie eine Bestrafung der Schuldigen erwarte.

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Ein Bild aus glücklichen Tagen. Paula Oliveira erwartete Zwillinge und wollte heiraten (Foto: persönlicher Facebook-Account)

Am Nachmittag meldete sich Celso Amorim dann selbst noch in den brasilianischen Medien zu Wort. Er bestätigte, mit der Konsulin in Zürich telefoniert zu haben, ein sehr ungewöhnliches Vorgehen in seiner Position, wie er selbst zugab. Aber es sei ein schockierender Fall. Daher müsse alles unternommen werden, was unternommen werden müsste, in jeglicher Art und Weise, die möglich seien. Man warte dringend auf Aufklärung. Der Aussenminister verlieh seiner Besorgnis vor zunehmendem Fremdenhass in der Schweiz ebenfalls Ausdruck. Das Verbrechen trage genau diese Handschrift und sei sehr ernst zu nehmen.

Bereits um die Mittagszeit hatte der brasilianische Minister für Menschenrechte, Paulo Vannuchi, drastischere Worte gewählt. Diese Tat sei extrem schwerwiegender Natur. Sie bringe neben der Thematik der Menschenrechte und die Schrecken des Holocaust zurück.

Die brasilianische Generalkonsulin in Zürich, Vitória Claever, konnte im Laufe des Nachmittags dann jedoch bestätigen, dass sich die Informationspolitik der Stadtpolizei aufgrund des diplomatischen Druck wesentlich verbessert habe. Die Behörde habe zugesichert, noch am heutigen Donnerstag eine Stellungnahme abzugeben, was mittlerweile auch geschehen ist (siehe Kasten unten). Auch sei ein direkterer Kontakt mit der Polizei möglich, die in den vergangenen Tagen keinerlei Auskünfte geben wollte.

Nachfolgend die erste Stellungnahme der Stadtpolizei von Zürich:

«Am Montagabend, 9. Februar 2009, wurde die Stadtpolizei Zürich zum Bahnhof Stettbach gerufen, da sich dort eine Frau mit Schnittverletzungen befand. Die Umstände, die zu diesen Verletzungen geführt haben, sind unklar. Die Stadtpolizei Zürich ermittelt und sucht Zeugen.

Kurz nach 19.30 Uhr meldete sich ein Mann telefonisch bei der Stadtpolizei Zürich und forderte Hilfe für eine Frau beim Bahnhof Stettbach an. Vor Ort trafen die Polizisten auf eine 26-jährige Brasilianerin die oberflächliche Schnittwunden aufwies. Unter anderem waren an verschiedenen Körperteilen einzelne eingeritzte Buchstaben erkennbar.

Die Frau gab an, zuvor von drei unbekannten Männern überfallen, mit Fusstritten traktiert und mit einem Messer verletzt worden zu sein. Weiter erklärte sie, dass sie schwanger sei und nach der Tat in der nahe gelegenen Toilette beim Bahnhof Stettbach eine Fehlgeburt erlitten habe. Durch Schutz & Rettung Zürich wurde die Frau für weitere Abklärungen ins Spital gebracht. Am Tatort wurde eine umfassende Spurensicherung gemacht.

Über medizinische Abklärungen kann derzeit keine Auskunft gegeben werden.

Die genauen Umstände des Vorfalls sind unklar. Die Stadtpolizei Zürich ermittelt in allen Richtungen. Personen, die kurz nach 19.30 Uhr an der Dübendorfstrasse 447, beim Bahnhof Stettbach, in der Umgebung des Notausgangs verdächtige Wahrnehmungen gemacht haben, werden gebeten, sich mit der Stadtpolizei Zürich, Tel. 0 444 117 117, in Verbindung zu setzen.

Aus Persönlichkeitsschutzgründen und aus ermittlungstaktischen Gründen können zurzeit keine weiteren Auskünfte erteilt werden. Sobald weitere Erkenntnisse vorliegen, werden wir die Medien wieder orientieren.»

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