Todesflug AF 447: Brasilien prüft Einstellung der Suche im Atlantik

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Datum: 16. Juni 2009
Uhrzeit: 10:29 Uhr
Ressorts: Panorama
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Autor: Dietmar Lang
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Brasiliens Staatspräsident Lula und sein Amtskollege Nicolas Sarkozy in Genf beim ersten Treffen nach dem Absturz von Flug AF 447 im Atlantik (Foto: R.Stuckert/Pres.)

Die Suche nach weiteren Opfern der abgestürzten Air France Maschine AF 447 vor der Küste Brasiliens könnte bereits in dieser Woche eingestellt werden. Dies wurde aus brasilianischen Militärkreisen bekannt. Obwohl es kein Zeitlimit gäbe, wird nun alle 48 Stunden überprüft, ob sich eine Fortführung der Suchaktion noch lohne. Bislang waren rund 1.000 Soldaten der brasilianischen Luftwaffe und Marine im Einsatz. Letzmalig konnten am vergangenen Freitag sterbliche Überreste aus dem Atlantik geborgen werden.

Der am Pfingstmontag (01. Juni) abgestürzte Airbus A 330-200 hatte 216 Passagiere und 12 Besatzungsmitglieder aus 32 Nationen an Bord, darunter 28 deutsche und 58 brasilianische Staatsangehörige. Lediglich 49 Körper wurden bislang gefunden, die letzten sechs sind am Dienstagvormittag auf der Inselgruppe Fernando de Noronha eingetroffen. In Recife versuchen inzwischen Spezialisten der brasilianischen Bundespolizei und der örtlichen Gerichtsmedizin, die ersten überstellten Opfer anhand von DNA-Anaysen zu identifizieren. Nähere Informationen liegen dabei jedoch auch weiterhin nicht vor.

Am Sonntag hatte der französische Botschafter in Brasilien, Pierre-Jean Vandoorne, in einer Pressekonferenz in Recife erklärt, dass bereits einige Opfer identifiziert seien. Französische Staatsbürger wären jedoch nicht darunter. Am Montag ruderte der Botschafter bei einen Treffen im gerichtsmedizinischen Institut der Metropole im Nordosten des Landes allerdings zurück. Es habe ein Missverständnis gegeben, nach neuen Informationen habe man bei keiner Person bislang die Identität eindeutig feststellen können.

Ein ähnliches Missverständnis gab es auch nach einem Treffen zwischen dem brasilianischen Staatspräsidenten Luiz Inácio Lula da Silva und seinem französischen Amtskollegen Nicolas Sarkozy am Montag in Genf. „Der französische Präsident hat mir garantiert, dass alle französischen und brasilianischen Familien von ihnen [der französischen Regierung] entschädigt werden“ erklärte Lula nach dem gemeinsamen Mittagessen. Am Abend stellte dann ein Regierungssprecher Frankreichs die Aussage richtig. Es habe ein Missverständnis gegeben. Air France und die zuständigen Versicherungen seien für Entschädigungszahlungen zuständig, keinesfalls die französische Regierung.

Spekulation über Höhe der Entschädigung

An der Fluggesellschaft üben derzeit vor allem französische Angehörige massiv Kritik. Die Airline habe zu wenig Mitgefühl gezeigt und die Hinterbliebenen schlecht betreut. Laut der französischen Tageszeitung „Le Monde“ könnte eventuell rund 330 Mio Euro an Entschädigungszahlungen geleistet werden. In deutschen Medien sprechen Experten allerdings nur von etwa 110.000 Euro. Die Anghörigen haben inzwischen einen Vereinigung gegründet, um gemeinschaftlich ihre Interessen durchzusetzen.

Unabhängig davon wird sich vermutlich nie ganz genau feststellen lassen, warum die Maschine rund 1.200 Kilometer vor der brasilianischen Küste auf fast halben Weg zwischen Südamerika und Afrika ins Meer stürzte. Hierzu könnte der Flugschreiber wichtige Erkenntnisse liefern, er wird jedoch in einer Tiefe von bis zu 5.000 Metern vermutet. Ein französisches Atom-U-Boot dreht bereist seit fast gut einer Woche in der Unglücksregion seine Runden, ein Ortungssignal der Black-Box konnte es mit seinen hochmodernen Sensoren bislang jedoch noch nicht auffangen.

Derweil geht die Suche nach Leichen und Wrackteilen auf dem Wasser zumindest in den kommenden Tagen erst einmal weiter. Rund 1.000 Flugstunden seien bislang für die Bergungsaktion absolviert worden, erklärten die brasilianischen Einsatzkräfte am Dienstag. Dabei sei ein Gebiet von ungefähr 1,2 Millionen Quadratkilometern untersucht worden. Weiterhin werden einzelne Wrackteile auf hoher See gesichtet, die Bergung wird jedoch immer komplizierter und vor allem aufwendiger, da Wind und Meeresströmungen die Trümmer immer weiter auseinandertreiben. Ob die mit riesigem logistischem und finanziellen Aufwand betriebene Aktion daher noch weiter fortgeführt wird, ist mehr als fraglich.

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Marinesoldaten bergen das Seitenruder des Airbus A 330-200 aus dem Atlantik vor der brasilianischen Küste (Foto: FAB)

Experten rätseln zudem weiter über die Unglücksursache. Eine Explosion wird mittlerweile nahezu ausgeschlossen. Vielmehr wird vermutet, dass die Maschine instabil wurde und dann in grosser Höhe auseinanderbrach. Dies würde auch das weiträumige Trümmerfeld erklären. Weder Wrackteile noch Leichen weisen nach ersten Erkenntnissen Spuren von Verbrennungen auf. Auch sind die bisher untersuchten Opfer nicht ertrunken, hiess es aus gerichtsmedizinischen Kreisen in Recife. Sie seien vielmehr beim Aufprall auf die Wasseroberfläche ums Leben gekommen und wiesen massive Frakturen auf. Airbus will sich auch weiterhin nicht zu den Spekulationen über den Unfallhergang äussern. Air France verweist ebenfalls auf den Abschluss der Untersuchungen, die Ermittlungsergebnisse könnten jedoch noch Monate auf sich warten lassen.

Der erst vier Jahre alte Airbus A 330-200 verschwand am frühen Morgen des 01. Juni um 04:14 Uhr MESZ urplötzlich vor der brasilianischen Küste von den Radarschirmen und stürzte ins Meer. Flug AF 447 war auf dem Weg von Rio de Janeiro nach Paris und hatte zuvor innerhalb von 4 Minuten insgesamt 24 automatische Störungsmeldungen abgesetzt, darunter der Ausfall wichtiger Steuerungssysteme und Messgeräte. Es ist eine der schlimmsten Flugkatastrophen der letzten Jahrzehnte.

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