Mittwoch mittag: Klassenzimmer der 6. Klasse in der Belmiro Medeiros – Schule im Viertel Moneró auf der Gouverneursinsel in Rio de Janeiro. Ein Mitschüler von Vítor Sampaio Chrisóstimo da Silva holt zwischen zwei Unterrichtsstunden einen Revolver aus seiner Tasche und spielt damit rum. Ein Schuss löst sich und trifft den erst 14-jährigen Vítor in den Kopf. Sechs Zeugen sehen das Unglück. Angeblich ein Unfall. Der Täter, wie das Opfer in der Schuluniform, flüchtet. Vítor kommt ins Krankenhaus, wird mit dem Helikopter sogar in eine Spezialklinik geflogen.
Freitag morgen: Die Ärzte diagnostizieren Hirnversagen. Seine 42-jährige Mutter, seine 16-jährige Schwester und sein Vater können nur hilflos mit ansehen, wie die Spezialisten um das Leben des Jungen kämpfen.
Samstag nachmittag: Vítor ist tot. Die Verletzungen am Gehirn waren zu stark. Inzwischen sitzt der ebenfalls 14-jährige Täter im Jugendgefängnis. Mitschüler werden durch den Schock immer noch im Krankenhaus behandelt. Die Bürgermeister bietet an, die Beerdigungskosten zu übernehmen. Der Vater lehnt ab.
Die Familie war erst vor knapp einem Monat in das Viertel gezogen. Sie wollen dableiben. Sie hoffen, dass der Vorfall nun etwas ändert und nie wieder jemand in der Schule, im Klassenzimmer erschossen wird. Wie die Beerdigung am Sonntag wird, weiss keiner. Die Familie steht unter psychologischer Betreuung. Eine Organspende hat sie abgelehnt. „Wer weiss, ob nicht irgendso ein Reicher die Organe bekommt, der gar nicht auf der Liste steht“, so die wortwörtliche Begründung des Vaters. Und über den Täter sagt er: „Vielleicht tut es ihm leid, aber wartet ab, in zwei oder drei Monaten ist er wieder frei.“