Die Zahl der Häftlinge hat sich in Brasilien in den vergangenen zehn Jahren beinahe verdoppelt. Welche menschenunwürdigen Zustände in den zum Bersten gefüllten Vollzugsanstalten herrschen wird durch das Projekt „Cartas do Cárcere“ deutlich. Mit dem sind 8.820 von den Gefängnisinsassen geschriebenen Briefe analysiert worden, die 2016 bei verschiedenen staatlichen Einrichtungen eingegangen sind.
Die dort geschilderten Zustände sind erschütternd und geben die verschiedensten Verstöße gegen die Menschenrechte wieder. Eins der größten Probleme ist die extreme Überbelegung. Zwischen 2006 und 2016 ist die Zahl der Häftlinge von 401.200 auf 726.700 gestiegen. Vorhanden sind hingegen lediglich 368.000 Plätze. Im Durchschnitt beträgt die Belegung damit 197,4 Prozent.
In etlichen Vollzugsanstalten gibt es nur eine mangelhafte oder keine ausreichende Gesundheitsversorgung. Einher gehen damit Krankheiten wie Tuberkulose, Hepatites und Aids.
Während die Vollzugsanstalten laut dem brasilianischen Gesetz theoretisch Maßnahmen zur Wiedereingliederung in die Gesellschaft anbieten sollen, sieht der Alltag anders aus. Nur 15 Prozent der Häftlinge sind in einem Arbeitsprozess eingebunden.
Erschütternd kommt hinzu, dass etwa 40 Prozent der Häftlinge „provisorisch“ hinter Gittern sind und damit ohne eine Verurteilung einsitzen. Etwa die Hälfte aller Insassen sind zwischen 18 und 29 Jahre alt und etwa 64 Prozent sind Schwarze. Von den einsitzenden Frauen sind 80 Prozent Mütter. Theoretisch wäre die ohnehin schon enorme Zahl von Insassen noch größer. Laut dem nationalen Justizrat Brasiliens (CNJ) sind knapp 144.000 Haftbefehle offen. Die Zahl ist jedoch nicht vollständig, weil aus etlichen Bundesstaaten, wie São Paulo, Minas Gerais und Paraná, offizielle Daten fehlen.
Angesichts der katastrophalen Zustände in den brasilianischen Gefängnissen hat es bereits mehrere Anzeigen beim Interamerikanischen Gerichtshof der Menschenrechte gegeben. Geändert hat sich dadurch bisher nicht viel.