Zuschauerschwund: Globo stellt „Sessão da Tarde“ auf den Prüfstand

sessao_da_Tarde

Datum: 27. Oktober 2013
Uhrzeit: 15:13 Uhr
Ressorts: Kultur & Medien
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Autor: Dietmar Lang
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Wer mehr Geld hat, der kann mehr unternehmen. Und ist nicht mehr auf das kostenlose TV-Programm angewiesen. Dies ist die tragische Erkenntnis der großen Fernsehanstalten in Brasilien, die gerade bei ihren Spielfilmen in den vergangenen Jahren einen drastischen Rückgang an Zuschauern hinnehmen mussten. Der größte Sender Rede Globo prüft momentan sogar, aus diesen Gründen den traditionellen Nachmittagsfilm ganz aus dem Programm zu nehmen.

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„Sessão da Tarde“ – „Nachmittagssitzung“ heißt der seit dem 11. März 1974 bestehende Programmpunkt, der von Montags bis Freitags zwischen 16 und 18 Uhr einen überwiegend für Kinder ab 10 Jahren geeigneten Spielfilm zeigt. Im größten Land Südamerikas ist die Sendung damit faktisch eine Institution, eingepackt in eine Wiederholung früherer Telenovelas davor und eine auf Jugendliche zugeschnittene Soap Opera im Anschluss. Zuletzt kam er jedoch nur noch auf 11 Punkte, zehn Jahre zuvor waren es im Jahresdurchschnitt noch 18,3 gewesen. 1 Punkt entspricht 62.000 Haushalten im Großraum São Paulo, dem Referenzgebiet für die Ermittlung der Einschaltquoten in Brasilien.

Nun könnte die Sendung, in der Erfolgsgaranten wie „Die blaue Lagune“ (1980), „Die Goonies“ (1985), „Der Prinz aus Zamunda“ (1988) oder „Ghost – Nachricht von Sam“ (1990) erstmalig in Brasiliens Free-TV zu sehen waren, für immer von den Geräten verschwinden. Der Sender hält sich zwar weiter bedeckt, schließt eine Änderung im Nachmittagsprogramm jedoch nicht mehr aus. Man überprüfe fortwährend das Programmschema, heißt es lapidar aus der Zentrale in Rio de Janeiro. Medienexperten gehen allerdings davon aus, dass Rede Globo auf die schlechtesten Einschaltquoten in der Geschichte des Programmpunktes schon in Kürze reagieren wird. Die Lücke könnte dabei sowohl durch weitere Telenovela-Wiederholungen oder auch durch Live-Sendungen wie Talkshows oder ähnliches ersetzt werden.

Aber auch bei den anderen Spielfilmformaten des Senders sieht es nicht besser aus. Die Action-Filme ab Abend, die unter dem Motto „Tela Quente“ – „heißer Bildschirm“ – ausgestrahlt werden sanken von 34,1 auf 19,8 Punkte. Unter Zuschauerschwund haben auch andere TV-Anstalten zu leiden. Auf dem Konkurrenzsender SBT brach „Cine Espetacular“ – „spektakuläres Kino“ – von 11,7 in 2006 auf derzeit 6,7 Punkte ein. Und der TV-Sender Rede Record, der sich unter anderem teure Blockbuster wie „Avatar“ geleistet hatte, muss in diesem Jahr statt durchschnittlich 10 Punkte mit etwa 5,6 Punkten im Programmformat „Tela Máxima“ – „maximaler Bildschirm“ – leben.

Dabei haben, glaubt man den großen Verleihern wie 20th Century Fox, die großen Sender weder weniger Film-Pakete erworben noch sind sie auf preiswertere Pakete mit weniger bekannten Filmen umgeschwenkt. Zurückzuführen ist der Zuschauerschwund bei den Spielfilmen einfach auf die gesellschaftliche Entwicklung des Landes. Direkt und indirekt ist das brasilianische Wirtschaftswachstum und damit verbesserte Einkommen Schuld. Selbst wenn der Anteil von Kabelfernsehen stetig wächst, noch immer stehen 70 Prozent der Bevölkerung nur die offenen Kanäle über Antenne oder analogen Satelliten zur Verfügung.

Doch Filme kann man auch im Internet sehen und notfalls auch illegal runterladen, zudem gibt es auch in Brasilien immer mehr DVD-Verleihe. Auch wächst das multimediale Angebot in brasilianischen Haushalten stetig, vom MP3-Player bis zur Spielkonsole kann vieles den Fernseher ersetzen. Und wenn sie nicht gerade mit dem Laptop oder Smartphone im weltweiten Datennetz unterwegs ist, dann ist Brasiliens Jugend vielleicht gerade auf dem Weg in eines der überall aus dem Boden schießenden hypermodernen 3D-Kinos.

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