In Brasilien hat das Parlament in der Nacht zum Mittwoch die umstrittene Novellierung des bestehenden Waldgesetzes beschlossen. Mit 410 zu 63 Stimmen bei einer Enthaltung stimmte die überwiegende Mehrheit des Kongresses für die Neuregelung. Dem Votum der Parlamentarier war eine zwölfstündige teilweise hitzige Debatte vorausgegangen, bei der sowohl Umweltschützer als auch Agrarindustrie scharfe Kritik übten. Insgesamt zwei Jahre lang war an der Novelle gefeilt worden.
Nach der Zustimmung zum neuen Código Florestal stimmten die Abgeordneten zudem doch für eine Ergänzung der Vorlage, welche den Bundesstaaten mehr Rechte bei der Nutzung geschützter Flächen einräumt. Dies sorgte vor allem bei Staatspräsidentin Dilma Rousseff auf Widerstand. Sie drohte mit ihrem Veto, sollte das Gesetz in dieser Form den Senat passieren, der ebenfalls noch zustimmen muss. Beobachter rechnen daher mit weiteren Änderungen, die gegebenenfalls abermals vom Kongress abgesegnet werden müssen.
Erst vor gut einer Woche hatte das brasilianische Umweltministerium mitgeteilt, dass die Abholzungsrate in Brasilien zwischen August 2010 und April 2011 um 27 Prozent im Vergleich zum identischen Zeitraum zwischen 2009 und 2010 angestiegen war. Die Verantwortlichen kündigten in diesem Zusammenhang die Einrichtung einer Notfallkommission an, welche die Ursachen klären und entsprechende Massnahmen einleiten soll. Bis zu 700 Polizisten und Umweltagenten sollen dafür zusätzlich abgestellt werden.
Die wichtigsten Neuregelungen der beschlossenen Vorlage im Überblick:
Gesetzliche Schutzgebiete
Bisher: 80 Prozent der Wälder oder anderer Vegetation auf privatem Landbesitz im Amazonas müssen erhalten bleiben, 35 Prozent im Cerrado und 20 Prozent in anderen Regionen. Wenn der geschütze Bereich kleiner ist als im Gesetz vorgeschrieben, muss der Eigentümer diese aufforsten.
Neu: Kleinbauern bis zu vier Einheiten (Messgrösse, die je nach Region unterschiedlich ist und bis zu 400 Hektar je Einheit betragen kann) müssen Schutzflächen nicht erneut aufforsten.
Entlang der Flüsse
Bisher: Das Gesetz sieht den Schutz der Vegetation bis zu 30 Meter vom Flussrand vor, die Mindestbreite muss 10 Meter betragen.
Neu: In bereits abgeholzten Zonen muss die Vegetation in einer Breite von 15 Metern wiederaufgeforstet werden. Noch bestehende Flächen bleiben bei einer Breite von 30 Metern
geschützt.
Amnestie
Bisher: Die aktuelle Rechtsprechung sieht eine Reihe von Vergehen vor, die mit Haft von drei Monaten bis ein Jahr sowie Geldstrafe von einem bis einhundert gesetzlichen Mindestlöhnen bestraft wird. Dekret 7.029/2009 sieht zudem Geldbussen für Grundbesitzer vor, die Schutzflächen nicht bis zu, 11. Juni 2011 angemeldet haben. Wer bereits abgeholzte Flächen bis zu diesem Zeitpunkt aufgeforstet hat, muss keine Strafen entrichten.
Neu: Die Verpflichtung, seinen Besitz zu legalisieren, setzt mögliche Haft oder Geldbussen aus. Nach erfolgter Eintragung werden die kriminellen Tatbestände gelöscht. Der Beitritt zum Programm zur Regularisierung muss binnen eines Jahres nach Einrichtung eines noch zu gründenden Registers für Umweltvorschriften erfolgen (Zeitrahmen kann von Regierung noch geändert werden). Das Register muss spätestens drei Monate nach Inkrafttreten des neuen Waldgesetzes eingerichtet werden.
Hügel
Bisher: Die Nutzung des Bodens auf der Spitze von Hügeln, Berge oder Hängen mit einer Neigung von mehr als 45 Prozent ist untersagt, zudem bei Sandbänken, Dünen, Kanten von Hochebenen oder in Gebieten von mehr als 1.800 Metern über dem Meeresspiegel.
Neu: Der Text gestattet die Weiterführung von Forstwirtschaft, intensive Beweidung, Anbau von mehrjährigen Nutzpflanzen wie Kaffee, Äpfel, Trauben oder von Pflanzen mit langen Zyklen (wie z.B. Zuckerrohr, der jedoch im Gesetz nicht explizit aufgeführt wird).
Zusammengefügte Gebiete
Bisher: Die Klassifizierung von „zusammengefügten landwirtschaftlichen Gebieten“ ist im bisherigen Gesetz nicht vorhanden.
Neu: Aktivitäten – vor dem 22. Juli 2008 – in zusammengefügten landwirtschaftlichen Gebieten innerhalb von Schutzzonen dürfen fortgesetzt werden, wenn der Eigentümer dem Programm zur Umweltregulierung zustimmt. Die Genehmigung ist abhängig von öffentlichem Nutzen, sozialem Interesse und geringen Auswirkungen auf die Umwelt.